„Tatort“ heute: Der Zürcher-Fall „Kammerflimmern“ ist Klamauk vom Feinsten
Nach einer kurzen Verschnaufpause in der letzten Woche ist der „Tatort“ endgültig zurück: Der Zürcher Fall „Kammerflimmern“ ist voller Herz(en), Hackern und Humor …

Nachdem der „Polizeiruf“ in der letzten Woche mit einem grandiosen Fall seine Zähne fletschen durfte, muss der „Tatort“ nachlegen. Nach einem eher enttäuschenden, sowie schwermütigem Saisonstart aus Franken zeigt man sich in der ARD-Krimireihe nun von seiner absurden Seite – und das funktioniert.
- „Kammerflimmern“: Darum geht es in dem Fall aus Zürich
- „Kammerflimmern“: Absurd aber konsequent
- „Kammerflimmern“: Wenn Charakterzeichnung ausnahmsweise nicht unnötig ist
- „Kammerflimmern“: Ein „Tatort“ für jung und alt
- „Kammerflimmern“: Liebe zum Detail
- „Kammerflimmern“: Wo das Herz zu schnell pocht
- „Kammerflimmern“: Mein Herz schlägt für den Zürcher „Tatort“
„Kammerflimmern“: Darum geht es in dem Fall aus Zürich
Es ist ein friedlicher Tag in Zürich – aber nur augenscheinlich, denn in unterschiedlichen Intervallen fallen verschiedene Personen einfach tot um. Die Gemeinsamkeit? Alle Personen trugen einen ICD, eine Art Herzschrittmacher, derselben Firma. Wie sich herausstellt, sind alle ICDs mit einem Virus infiziert und der Hacker verlangt eine gigantische Summe, um den Virus wieder zu löschen. Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Ott (Carol Schuler) starten also ihre Ermittlungen, da ein Spiel gegen die Zeit stattfindet – und als wäre das nicht genug, haben noch allerlei andere Personen ihre Finger im Spiel.
„Kammerflimmern“: Absurd aber konsequent
Die Fälle aus der Schweiz warten immer wieder mit verrückten Szenarien auf. Im letzten Fall mussten Grandjean und Ott beispielsweise jemanden stellen, der oder die Perücken aus Echthaar gestohlen hat. „Kammerflimmern“ fängt diese „campige“ Energie seines Vorgängers nicht ganz ein, aber bietet allen Zusehenden dafür einen etwas größeren Fall. Statt einer Leiche oder einer Person, die in Gefahr ist, ist hier eine gesamte Personengruppe in Gefahr, was dem Fall deutlich mehr Gravitas verleiht.
Prinzipiell funktioniert der Fall wie „Katz und Maus“ aus Dresden, vor allem in der Hinsicht, dass der Fall auch für Ermittlerin Ott sehr persönlich wird, da ihre Mutter auch einen ICD trägt. Dazu kommt das Rennen gegen die Zeit und dass kontinuierliche Anspannung herrscht. Wenn man aber schon bei den Vergleichen ist: „Katz und Maus“ war etwas waghalsiger und experimenteller.
„Kammerflimmern“: Wenn Charakterzeichnung ausnahmsweise nicht unnötig ist
Normalerweise versucht der moderne „Tatort“ immer große Geschichten rund um seine Ermittler und Ermittlerinnen zu erzählen, sowie in Dortmund beispielsweise, aber selten führt es zu irgendetwas. In Zürich ist das etwas anders, da man sich erstens nur überwiegend auf das Drama von Ermittlerin Ott fokussiert und es zweitens hinbekommt, wenn auch arg bemüht, die persönlichen Elemente ebenjener Ermittlerin in die Geschichte einzuweben. Man könnte also sagen, dass man das Herz ausnahmsweise am rechten Fleck hatte.
„Kammerflimmern“: Ein „Tatort“ für jung und alt
Wo man das Herz auch am rechten Fleck hatte: Dieser „Tatort“ mutet erfrischend jung an – ohne dabei krampfhaft an eine jüngere Zielgruppe appellieren zu wollen. Stattdessen benutzt man einfach sprachliche Neuheiten, in Form von Wörtern wie „random“ oder „nice“, und webt diese in die Dialoge ein. Dabei wird dieser Lingus aber stets von Personen benutzt, die solche Wörter tatsächlich sagen würden. Dazu gesellen sich verspielte Wortspiele: Der Hacker der ICDs schreibt beispielsweise in seiner Nachricht an die gehackte Firma die freche Parole „No Heart Feelings“.
Darüber hinaus ist der Charakter des Hackers allgemein sehr repräsentativ und progressiv angelegt, ohne zu aufdringlich zu sein. Jeder andere „Tatort“ hätte sich schwergetan, einen homosexuellen Antifaschisten mit lackierten Fingernägeln nicht klischeebehaftet zu inszenieren, aber in dem ohnehin verschrobenen Kosmos des Zürcher „Tatort“ fällt ein solcher Charakter kaum auf.
Für das ältere Publikum gibt es aber auch Repräsentationsfiguren – auch wenn diese schon arg grummelig sind. Dazu kommt eine Partie „Snake“, die der Hacker auf seinem Laptop spielt und schon fühlen sich alle, die während der Zeiten der Deutschen Mark schon am Leben waren, in ihre Jugend zurückversetzt.
„Kammerflimmern“: Liebe zum Detail
Während in Dortmund keiner mit Faber arbeiten möchte, fällt mit jedem weiteren Zürcher „Tatort“ auf, dass es eine kleine Vision für die Figuren aus dem Hauptcast gibt. Auch wenn Ermittlerin Grandjean, wie so häufig, links liegen bleibt, dürfen Charaktere wie der IT-Experte Noah (Aaron Arens) weiterhin beweisen, dass man als Nebencharakter im „Tatort“ nicht immer reines Füllmaterial sein muss. Statt ihn nur billige Witze durch den Raum murmeln zu lassen, darf er tatsächlich ein integraler Bestandteil der Geschichte sein.
„Kammerflimmern“: Wo das Herz zu schnell pocht
Inmitten des herzhaften Zürcher Chaos passieren Flüchtigkeitsfehler: Türen, die niemals geöffnet werden, machen ein Türöffnungsgeräusch und auch wenn es interessante Szenenwechsel gibt, ist die Inszenierung nicht so lebendig, wie sie es zuletzt im Zürcher Fall „Rapunzel“ war. Diese Dinge fallen aber glücklicherweise nicht wirklich auf, weil die Geschichte kontinuierlich unterhält.
„Kammerflimmern“: Mein Herz schlägt für den Zürcher „Tatort“
Wenn man es genau betrachtet, dann sind zwei Zürcher-Fälle im Jahr nicht genug. Auch wenn das nicht die Meinung aller sein dürfte, wenn man die gemischten Reaktionen auf „Rapunzel“ betrachtet, so finde ich, dass die ARD mit Grandjean und Ott in Serie gehen sollte – vielleicht findet dann aber auch Übersättigung statt. Obgleich was die zukünftigen Pläne in Bezug auf den „Tatort“ aus Zürich sein mögen, so kann man für „Kammerflimmern“ nur eine klare Empfehlung aussprechen.
Und es geht spannend weiter: Nächste Woche geht in Frankfurt ein neues Ermittlerteam an den Start – bestehend aus Melika Foroutan und Edin Hasanović, die gemeinsam Cold-Cases lösen.