„Tatort“ heute: Lohnt sich der Dortmunder Fall „Feuer“?
Die ARD bricht mit Traditionen – also in der Hinsicht, dass der neueste „Tatort“ namens „Feuer“ wegen des Feiertages an einem Montag ausgestrahlt wurde. Bei so viel Mut stellt sich folgende Frage: Bricht der Dortmunder Fall auch mit Traditionen?

Letzte Woche in Wien, diese Woche aus Dortmund und schon am Ende dieser Woche in Zürich. All jene, die fleißig GEZ zahlen (also so gut wie alle) kommen gut herum, wenn sie den „Tatort“ im Ersten anschalten. Aber lohnt sich der Montagstrip nach Dortmund oder wird man besser unterhalten, wenn sich auf ProSieben „Fast X“ anschaut? Zeit, die Ermittlungen zu starten …
„Feuer“: Das passiert im neuen Tatort
Ihr Torso liegt im Flur und die Beine im Bad. Keine Angst: Die Mutter Meike Gebken ist noch an einem Stück, aber tot ist sie leider trotzdem. Die Ursache: Rauchvergiftung aufgrund von Brandstiftung. Die Ermittler Faber (Jörg Hartmann) und Herzog (Stefanie Reinsperger) entdecken schnell, dass es kein Motiv gibt, aber Tatverdächtige gibt es zuhauf: zum Beispiel den Partner Jens oder den Sohn aus der ersten Ehe Finn. Doch um an alle Informationen des Falles zu kommen, muss Ermittlerin Herzog eine Sache tun, mit der sie sich mehr als unwohl fühlt – sie muss verdeckt in einem Frauenhaus ermitteln. Aber sorgen diese Ermittlungen auch beim Zuschauer für Spannung?
„Tatort“ aus Dortmund: Hieran verbrennt sich der Fall „Feuer“ die Finger
Eins muss man vorab über „Feuer“ sagen: Der Fall ist bei weiten nicht so ein allumfassender Flickenteppich wie der Fall „Wir sind nicht zu fassen“ aus Wien, durch den sich die Zuschauer und Zuschauerinnen letzte Woche quälen mussten. Das heißt aber noch lange nicht, dass alles gut war, denn wie so viele „Tatorte“ glimmt auch dieser die meiste Zeit vor sich hin.
Das Wichtigste zuerst: Der Name grenzt an einem Etikettenschwindel. Der Fall heißt „Feuer“ und das Einzige, was hier in Flammen steht, ist das Badezimmer (und Faber, aber dazu später mehr). Ich weiß, dass das Budget selbst für einen „Tatort“ nicht gigantisch sein wird, aber man könnte doch wohl erwarten, dass, wenn der Fall „Feuer“ heißt, mehr als ein Teil des Badezimmers brennt. Der verdächtige Vater Jens Hielscher findet hierfür die passenden Worte als er über den Brand in seinem Badezimmer spricht: „Der Aufwand ist zum Glück überschaubar.“ Das wird sich wahrscheinlich auch die Finanzierungsabteilung der ARD gedacht haben, nachdem sie im Drehbuch gelesen hatten, dass die Fliesen im Bad das Feuer eingedämmt haben, bevor die gesamte Kulisse abgefackelt werden konnte. Obwohl das „Feuer“ im Bad nicht so lieblos ist, wie die Portion Kartoffeln mit Brokkoli ist, die der suspekte Sohn Finn in einer Szene von Faber serviert bekommt.
Kinderkrankheiten statt Rauchvergiftungen: Weitere Fehltritte aus dem Dortmunder „Tatort“
Und dann gibt es die üblichen Kinderkrankheiten wie eh und je. Sätze wie „Das ist mein Gebiet. Ich bin verdammt gut drin“ von Ermittlerin Ira Klasnic (Allesija Klause) sollen den Zuschauenden nochmal daran erinnern, dass die Kriminalbeamten, den wir zusehen, auch wirklich kompetent sind. Da wäre ich von selbst nie draufgekommen.
Dann wäre da noch ein größenwahnsinniger Dortmunder Kleinkrimineller, der vor Faber zugibt, dass er Leuten die Finger bricht, wenn sie nicht rechtzeitig liefern – man darf schließlich nicht vergessen: Die Polizei ist nicht nur Helfer, sondern auch Freund und Freunden kann man schließlich vertrauen. Und dann wäre da zuletzt ein mehr als unbefriedigendes Ende, das sehr seltsame Dinge impliziert und die wichtigsten Fragen offenlässt. Aber keine Angst: Derartige Plotholes hat man bis zum nächsten Dortmunder Tatort schon vergessen.
Herzog: Der interessanteste Teil der Geschichte bleibt überwiegend unbeleuchtet
Ermittlerin Herzog ermittelt verdeckt in einem Frauenhaus. Das klingt unfassbar spannend, muss aber Drehbuchautor Markus Busch zu Tode gelangweilt haben, denn während man denken könnte, dass man einen großen Teil des Falls im Frauenhaus verbringt, aber die Realität ist eher, dass der Zusehende, die meiste Zeit Faber beim Herumblödeln zusehen darf (auch wenn ich zugeben muss, dass das sehr unterhaltsam ist). Die Geschichten und Schicksale der Frauen im Frauenhaus werden zwar angekratzt, aber eigentlich wäre hier vielmehr narratives Potenzial dagewesen, über häusliche Gewalt und Zufluchtsorte für Frauen in Gefahr zu erzählen. Stattdessen bleibt es die meiste Zeit nicht mehr als das übliche, mit dem Finger auf ein Thema gesellschaftlicher Relevanz-Zeigen, das der „Tatort“ so gerne macht. Doch inmitten all dieser Kritik schlummern auch zwei gute Aspekte.
Faber fängt Feuer: Die Stärken des Dortmunder „Tatorts“
Eine der Bewohnerinnen im Frauenhaus wird von Martina Eitner-Acheampong („Stromberg“) gespielt und sie beweist, dass man selbst durch Exposition Wirkung beim Zuschauer forcieren kann. Ich werde nicht verraten, was Eitner-Acheampong der Ermittlerin Herzog erzählt, aber so viel sei gesagt: Sie hat mich dadurch auf eine falsche Fährte gelockt, die leider nicht wahr geworden ist, aber eine deutlich bessere Aufklärung für den Kriminalfall gewesen wäre. Bravo, Frau Eitner-Acheampong.
Und dann wäre da noch Dortmunds größter Spaßvogel Peter Faber. Prinzipiell ist auch dieser Ermittler das Abziehbild eines jeden Tatort-Kommissars, aber er spielt Faber mit so einem unbeholfenen Charisma, dass man einfach Spaß hat, dabei zuzusehen, wie er der unprofessionellste Polizist des Dortmunder Dezernats ist. Peter Faber und seine Eigenarten halten das komplette Team zusammen und ist das Ebenbild einer gelungenen Karikatur, da entweder Autor Busch oder Schauspieler Hartmann die wichtigste Eigenschaft einer Karikatur verstehen: Sie soll Spaß bringen. Es kann natürlich sein, dass Peter Faber ein ernstgemeinter Charakter ist, aber das wirkt irgendwie schwer vorstellbar.
Fazit zum Fall „Feuer“: Lodert es in Dortmund oder glimmt man nur?
Sowohl als auch. Das ist einer dieser klassischen Fälle, wo alle guten Elemente im kontinuierlichen Klinsch mit den schlechten Elementen sind und am Ende die ARD-Zuschauer entscheiden müssen, wie sie den neuesten Fall des Dortmunder Dezernats finden – schlimmer als der letzte Fall aus „Wien“ kann es auf jeden Fall nicht werden. Ich persönlich muss sagen, dass es definitiv keine Zeitverschwendung wäre, sich den Fall „Feuer“ anzusehen, aber am besten täte man sich wahrscheinlich damit, nur hinzuschauen, wenn Ermittler Faber zu sehen ist, denn der brennt für diesen Fall und seinen Job – auf jeden Fall mehr als das Badezimmer der Familie Gebke-Hielscher.