Tatort heute (Wiederholung): Was kann die Folge „Katz und Maus“ aus Dresden?
Tatort-Wiederholung am Sonntag: In der ARD läuft heute der Dresden-Krimi „Katz und Maus“. Warum sich das Ermittler-Trio Gorniak, Winkler und Schnabel in diesem Fall besonders bewährt und was die düstere Sommerpause-Folge so sehenswert macht.

Ist es eigentlich schon beschämend, wenn man in der Sommerpause bessere „Tatorte“ als während der regulären Saison zeigt? Die Frage muss jeder und jede für sich selbst beantworten – ich beantworte derweil die Frage, warum „Katz und Maus“ mit dem Ermittler:innenteam aus Dresden eine (fast) perfekte Schablone für jeden modernen „Tatort“ ist … beziehungsweise sein sollte.
„Katz und Maus“: Darum geht es in dem „Tatort“ aus Dresden
Eine Boulevard-Journalistin namens Brigitte Burkhard (Elisabeth Baulitz) überfährt einen Mann – aber nur scheinbar, denn der Mann stellt sich nicht nur als Entführer (Hans Löw), sondern auch als Maus hinaus. Der Entführer steht vor einer Kamera und in mehr als kryptischen Bildern sowie einem gigantischen Mauskopf schickt er ein Video an die Öffentlichkeit hinaus – auch an das Ermittlerinnenduo Karin Gorniak (Karin Hanczweski) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel).
Zusammen mit ihrem Chef Peter Schnabel (Martin Brambach) finden sie schnell heraus, dass der Entführer verlangt, dass 150 vermisste Kinder aus Sachsen-Anhalt in 24 Stunden gefunden werden sollen. Sofern sie es nicht schaffen sollten, wird er Brigitte Burkhard umbringen. Und über diesem ganzen Geschehen thronen zwei elementare Fragen: Hat diese entführende Maus etwa andere Motive? Und was passiert eigentlich, wenn jemand aus den eigenen Reihen auch ins Visier dieser Maus gerät?
„Katz und Maus“: Dresdner „Tatort“ lockt den Zuschauer mit feinstem Technikkäse
„Feinstem“ ist vielleicht etwas hyperbolisch, aber technisch kann man sich über „Katz und Maus“ definitiv nicht beschweren. Es gibt diese ungeschriebene Grundregel im „Tatort“: Wenn der Fall ohne Leiche startet, wird er (etwas) besser als andere. So ist auch hier in Dresden. Fast wie in einem moderaten Thriller dauert es knapp zwanzig Minuten, bis man die erste Leiche sieht und dann realisiert, dass hier kein kurzer Prozess gemacht wird. Stimmung in einem „Tatort“? Ein selten gesehener Umstand.
Und diese düstere Grundstimmung hält der Fall über eine längere Zeit. Wenn die Maus das allererste Mal vor die Kamera tritt und wie in einer Parodie auf David Lynchs Bildsprache eine kryptische Botschaft verbreitet, dann fühlt man sich tatsächlich etwas unwohl – und das ausnahmsweise mal nicht, weil die Qualität des Sonntagskrimis zu wünschen übrig lässt. Aber man bedient sich nicht nur Bildern, um gute Stimmung zu kreieren, sondern auch anderen Mitteln…
„Tatort“ aus Dresden: Ein Augen(sch)maus
Der Vorspann benutzt nicht nur Aufnahmen Dresdens, sondern auch eher bedrückende Musik. Das ist überall sonst Standard – bei einem „Tatort“ aber erwähnenswert. Ebenso stimmungsvolle Musik wird auch noch einmal in einer Montage im ersten Drittel des Falls, sowie im wirklich konsequenten Finale benutzt.
Was „Katz und Maus“ aber am besten macht, ist etwas, woran es in den meisten Fällen mangelt: Es gibt eine tickende Uhr und es steht etwas auf dem Spiel. Was auf dem Spiel steht, werde ich nicht verraten, aber man glaube mir, wenn ich sage, dass das, was auf dem Spiel steht, stark in den Fall hineinzieht.
Während andere Fälle sich in ihrer Gemütlichkeit suhlen („Feuer“ aus Dortmund zum Beispiel), kennen Ermittlerinnen Gorniak und Winkler keine Ruhe. Der Fall ist für sie persönlich und damit auch Teil der Charakterzeichnung, die jeder „Tatort“ zwangsweise durchlaufen muss. Doch statt wie mit seltsamen Piano-Popstar-Plots, wie im Bremer Fall „Angst im Dunkeln“ aufzuwarten, ergibt sich die Emotionalität für Gorniak und Winkler vollends organisch. Leider gibt es auch ein paar Dinge, die weniger organisch sind.
Die Katze geht aus dem und auf den Sack: Vollends gut kann der „Tatort“ nicht (mehr)
So gut ein „Tatort“ sein mag, an der doch eher plumpen „Gesellschaftskritik“ kommt man eher weniger vorbei – auf jeden Fall in unseren modernen Zeiten. Es gibt beispielsweise diese Szene, in der sich der Chef der Kriminaltruppe Peter Schnabel, gespielt vom wirklich charismatischen Urgestein Martin Brambach, wie der letzte Boomer über Internetnutzer auslässt. „Merken sie eigentlich, wie die Leute verblöden durch das Internet?“, ist so oder so schon einmal ein prätentiöser Satz, aber wenn ihn auch nur der älteste Charakter im Cast vor sich her murmelt, dann wusste man, was man tut.
Noch schlimmer ist aber ein ganz anderer Charakter: Der Expositionsverschwörungstheoretiker „Grinsekatze“, der nur existiert, um Exposition über Internetschwurbler zu verbreiten, ist nicht nur anstrengend gespielt (Paul Ahrens), sondern auch einfach nur plump geschrieben. Selbstverständlich mögen Schwurbler nicht die hellsten sein, aber selbst die, denen ich bisher unfreiwillig begegnet bin, bedienen sich schon lange nicht mehr Obama als Feindbild für ihre Angst vor der Welt. Apropos Feindbilder …
Mann oder Maus? Eine Handlungsentscheidung spaltet
Der von Hans Löw gespielte Entführer sowie Verschwörungstheoretiker macht das, was er tut, unter anderem, weil seine eigene Tochter (Alida Bohnen) keinen Kontakt mehr zu ihm pflegt. Daraus ergeben sich zwei Aspekte; einer ärgerlich, der andere wunderschön frustrierend.
Um zuerst mit dem Ärger aufzuräumen: Früher oder später treffen Vater und Tochter nochmal aufeinander und in fast verklärter Moral begegnet Tochter Zoe ihrem Vater etwas zu versöhnlich. Sie kriegen es nicht hin ihre Beziehung zu kitten, aber Zoe findet definitiv viel zu nette Worte, wenn man das in Betracht zieht, was ihr Vater sowohl ihr als auch anderen angetan hat. Ironischerweise ergibt sich aus dieser Versöhnlichkeit, aber auch einer der besten Aspekte des Bösewichts.
Wie angemerkt ist es nahezu „wunderschön frustrierend“, dabei zuzusehen, wie sehr der Entführer bereit ist, sich selbst eine schönere Welt vorzulügen – eine Thematik, der sich nicht nur „Internet-Rambos“ bedienen, sondern auch ein großer Teil der Schwurbler-Szene.
Mit Argumenten kommt man hier nicht weiter. Ganz nach dem Motto von Mark Twain: „Keine noch so große Menge an Beweisen wird jemals einen Idioten überzeugen.“ Und wenn man vor einem „Tatort“ sitzt, der nicht wegen Narrative oder Technik, sondern wegen eines gut geschriebenen Charakters überzeugt, dann weiß man, dass einiges richtig gemacht wurde.
Fazit: Da beißt die Maus (keinen) Faden ab – Eine Empfehlung für „Katz und Maus“ aus Dresden
Die Katze ist aus dem Sack: „Katz und Maus“ ist ein guter Fall, der die vielen Gurken vor der Sommerpause überschattet. Überraschend, wozu man narrativ in der Lage ist, wenn man nicht versucht Systemkritik, statt Kriminalfällen zu erzählen. Man kann nur hoffen, dass man sich dieser Qualität in der neuen Saison ab September wieder annähern kann – leider ist das aufgrund der Produktionsumstände des „Tatort“ mehr als wahllos.
Bis dahin nur ein letztes Wort zum Sonntag: Der Fall hätte eher „Katz mit Maus“ oder „Katz dank Maus“ heißen sollen, da sich in diesem Fall die Maus ja erst aus der Katze ergibt – dann würde auch keine Verwechslungsgefahr mit dem 81er-Fall „Katz und Mäuse“ bestehen.
Die "Tatort"-Folge "Katz und Maus" wurde erstmals am 20. November 2022 ausgestrahlt. Die ARD wiederholt den Film am Sonntag, 27. Juli, um 20.15 Uhr.