„Tatort“ heute aus Bremen: Deshalb müssen alle jetzt ganz stark sein!
Auch das deutsche Rechtssystem macht Urlaub – auf jeden Fall im TV, denn sowohl der „Tatort“ als auch der „Polizeiruf 110“ befinden sich in der Sommerpause. Stattdessen werden Wiederholungen gezeigt: Diese Woche gibt es einen Fall aus Bremen … doch lohnt es sich diesen nochmal anzuschauen?

Jasna Fritzi Bauer, Pianos und irgendwo dazwischen eine Folge „Desperate Housewives“ – das ist das Gemisch, aus dem der Bremer „Tatort“ „Angst im Dunkeln“ von 2024 besteht. Aber gibt es irgendwo in diesem Dunkeln auch Licht oder bleibt man für 90 Minuten im Schatten?
„Angst im Dunkeln“: Worum geht es in der „Tatort“-Wiederholung?
Drei Mütter werden von ihren Kindern im Wald ausgesetzt, um von dort ihren Weg nach Hause zu finden. Dieser Prozess, auch als „Dropping“ bekannt, wird normalerweise in den Niederlanden von Eltern benutzt, um zu sehen, ob ihre Kinder selbstständig sein können. Doch in Deutschland versucht man pädagogisch wertvoll zu sein und probiert das „Dropping“ erstmal selbst, bevor man es den Kindern zumutet. Und natürlich kommt es zu einem Todesfall im Wald, bei dem eine der Mütter, Marlene Seifert (Inez Bjørg David), umkommt. Nun stellt sich die Frage, wer hinter dem Mord steckt: die Kinder der Mütter, einer der Ehemänner oder doch der mysteriöse Handymann? Dieser Frage gehen die beiden Ermittlerinnen Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram) auf den Grund … leider.
Die „Tatort“-Wiederholung begeistert aus den völlig falschen Gründen
Ich weiß, dass das zum „Tatort“ gehört, aber viele der Ermittler-Teams begeistern mich einfach nicht: Das gilt auch für Moormann und Selb. Die beiden Bremerinnen sind zwar nicht so blass, wie das „wie heißen die nochmal?“ Team aus Zürich, aber man weiß, dass man ein großes Problem hat, wenn die Nebencharaktere interessanter sind als unsere Protagonistinnen. „Angst im Dunkeln“ schneidet kontinuierlich während seiner Laufzeit zurück zu dem, was in den letzten 36 Stunden (oder so) im Wald passiert ist und die Intrigen, die drei Mütter dort spannen, sind überwiegend spannend mitanzusehen. „Spätestens wenn Marlene und Ayla Ömer (Pegah Ferydoni) aneinandergeraten – es geht um Affären und die Opfer, die man in einer Ehe bringt, nur um am Ende von einer vermeintlichen Freundin hintergangen zu werden –, entfaltet sich ein starker Grundkonflikt. Und das Beste: Er bleibt nicht oberflächlich, sondern bildet das Fundament für viele der zwischenmenschlichen Spannungen im Wald und in der Nachbarschaft von Schwachhausen.“
Die Frage, wer mit wem, warum überhaupt – und all die anderen Details rund um den Fall – sind eigentlich spannend. Leider stolpern Jasna Fritzi Bauer und Luise Wolfram etwas verloren durch die Handlung. Ihre Ermittlungsarbeit bleibt blass, fast schon nebensächlich. Zwar wird bei Ermittlerin Selb ein familiärer Konflikt angedeutet, doch wenn die Nebenfiguren mehr Tiefe haben als eine der Hauptdarstellerinnen, hilft es wenig zu wissen, dass Selb früher einmal Schwachhausens größter Piano-Popstar werden wollte. Man hat das Gefühl, Drehbuchautorin Kirsten Peters wollte ursprünglich ein intrigantes Nachbarschaftsdrama erzählen – und musste dann notgedrungen einen „Tatort“ daraus machen. So zumindest meine Theorie. Trotz mancher lobenswerten Ansätze gibt es leider noch einige weitere Schwächen …
Laien zum Verleihen: „Angst im Dunkeln“ bringt die üblichen „Tatort“-Schwächen
Ich bin froh, dass in diesem „Tatort“ niemand die Angst vorm Dunkeln tatsächlich spielen musste, denn ich bin mir nicht sicher, ob sie das hinbekommen hätten. Der erwachsene Cast spielt eigentlich überwiegend solide – überraschenderweise mit der Ausnahme von Henning Baum. Das könnte aber auch den Dialogen geschuldet sein, die er sagen muss: Wenn man versuchen muss, die Zeile „und es werden keine Blumen geschmissen“ agitiert zu spielen, würde ich wahrscheinlich auch daran scheitern.
Weniger Nachsicht habe ich mit den „Teenagern“ im Cast. Carl Bagnar (Anselm), bekannt aus der Serie „DRUCK“, ist mit seinen 24 Jahren keine besonders glaubhafte Besetzung für einen frechen Abiturienten. Er wirkt streckenweise eher wie ein Kreuzfelder Edgelord mit Schauspielabschluss von der „Riverdale“-Akademie für überhöhte Dialoge. An seiner Seite: Lucy Gartner als Lilly Seifert und Joel Akgün als Deniz Ömer, die ähnlich überdreht agieren – mal mit Waffen, mal mit Sprüchen, für beides jedoch sichtbar ohne Lizenz.
Dem typischen „Tatort“-Syndrom folgt dann auch der Handlungskäse mit seinen Löchern: Eine Ärztin, die ihrer Freundin Medikamente in Whiskey verabreicht – ja, das soll ein Motiv begründen, endet aber in hanebüchenem Unsinn. Denn selbst Laien erkennen sofort, dass das zu auffällig ist. Und obwohl das Thema ernst gemeint ist: Eine derart unglaubwürdige Darstellung von Cybermobbing habe ich zuletzt bei „Morgen hör ich auf“ (2016) oder der ZDF-Comedy „Merz gegen Merz“ gesehen.
Fazit: „Angst im Dunkeln“ zeigt, dass früher auch nicht alles besser war
„Angst im Dunkeln“ ist ein würdiger Lückenfüller – gemessen an dem, was „Tatort“-Zuschauer und Zuschauerinnen die letzten paar Wochen ertragen mussten („Rapunzel“ aus Zürich ausgenommen). Wer schon immer eine moderate Folge „Desperate Housewives“ sehen wollte, die von uninspirierter Polizeiarbeit unterbrochen wird, kann definitiv einschalten. „Angst im Dunkeln“ ist das perfekte Erlebnis zum Auskatern oder zum Verdauen nach dem Grillen am Sonntagmittag. Freunde und Freundinnen guter Unterhaltung sollten stattdessen lieber ins Kino gehen oder das schöne Wetter nutzen und vielleicht einen Ausflug in den Wald machen – ein Schelm, wer Böses denkt.