„Tatort“ heute: „Ich sehe dich“ aus Franken eröffnet die neue „Tatort“-Saison – und es geht furchtbar weiter
Hölzern, öde und belanglos: So starten alle Zuschauenden in die neue „Tatort“-Saison. Warum der Fall aus Franken mit Ermittler Felix Voss mehr als egal ist …

Es hätte so schon sein können, doch leider geht die neue „Tatort“-Saison genauso weiter, wie die letzte aufgehört hat – eher negativ. Aber bevor es an die Vollen geht, muss erstmal geklärt werden, was in Franken überhaupt los ist.
„Tatort“: Darum geht es im Fall „Ich sehe dich“
Ein 37-jähriger Fahrradhändler (Benjamin Schaefer) wird tot im Wald aufgefunden – und das ganze zwei Meter unter der Erde. Auch wenn der Mann als sehr beliebt galt, konnte er kein näheres Umfeld aufweisen. Doch die Ermittlungen von Felix Voss (Fabian Hinrichs) und seiner neuen Partnerin Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) führen sie schon bald zu einer Person, die mehr wissen könnte: die blinde Lisa Blum (Mavie Hörbiger).
„Tatort“: Ach Gott, der Voss
Treue „Tatort“-Zuschauer und Zuschauerinnen hatten überhaupt keine Chance, Felix Voss zu vermissen, denn in der Sommerpause wurde bereits der fränkische Fall „Hochamt für Toni“ wiederholt – in dem Felix Voss auch schon negativ auffiel. Und da Voss nur eine Erweiterung der Schauspielkünste von Fabian Hinrichs ist, ist es eigentlich jener, der negativ auffällt. Eigentlich kann man dieser knuffigen Grinsebacke gar nicht böse sein, aber er ist leider schauspielerisch limitiert und bringt jede Zelle Text mehr als hölzern rüber. Die Vermutung kam bereits in „Hochamt für Toni“ auf und wird nun bestätigt. Eine andere Sache, die jedoch noch Bestätigung bedarf …
„Tatort“: Dialoge auf Hollywoodniveau – leider!
Der Drehbuchautor Max Färberbock und die Drehbuchautorin Catharina Schuchmann, die diesen „Tatort“ gemeinsam geschrieben haben, können stolz sein. Gemeinsam ist es ihnen gelungen, die Qualität der Dialoge einer Hollywoodlegende zu replizieren – leider ist besagte Legende M. Night Shyamalan. Ähnlich wie die doch eher unnatürlichen Dialoge des Altmeisters findet man auch hier Sätze, die in Bezug aufeinander teilweise keinen Sinn ergeben, inhaltlich durchfallen oder schlichtweg schlecht transportiert werden. Doch selbst wenn: Die Dialoge sind mehr ohnehin recht egal, denn es gibt ein technisches Problem, das das Dialogproblem gelegentlich überschattet.
„Tatort“: 1A Ton … aber wofür?
Wir haben es mit einem Score zu tun, der ebenfalls auf Hollywoodniveau ist. Wie in jedem Christopher-Nolan-Film dröhnt hier gigantisch laute Musik über den Dialogen – wie eine Art Schmerzmittel für all jene, die die schlechte Schreibe, nicht mehr ertragen.
Hier hören die Mängel aber nicht auf: So gibt es zum Beispiel in einer Verhörszene einen groben Perspektivwechsel bei einem Close-up auf Voss‘ Gesicht, der so dilettantisch ausgeführt ist, dass es selbst dem größten Laien auffallen dürfte. Darüber hinaus versucht man durch viele Drohnenaufnahmen Nürnberg, als schöne pulsierende Großstadt darzustellen, aber diese Szenenwechsel funktionieren nur als Szenenwechsel und nichts als touristische Facharbeit für den ewigen Zweiten der bayerischen Großstädte. Apropos, zwei …
„Tatort“: Drache erwache!
Bisher gab es zwei filmische Versionen von Thomas Harris Roman „Roter Drache“. Die erste erschien 1986 unter dem Namen „Manhunter – Roter Drache“; die zweite hieß „Roter Drache“ und ist von 2002. Wer nur eine oder im Zweifelsfall beide Versionen von „Roter Drache“ gesehen haben sollte, dürfte merken, dass sich „Ich sehe dich“ ab einem bestimmten Punkt in Teilen der Narrative von „Roter Drache“ bedient. Man kaschiert es nur etwas: Während die blinden Damen in den großen Filmen der Tatsache, dass sie einen furchtbaren Menschen daten, naiver gegenüberstehen, ist die blinde Dame im „Tatort“, Lisa Blum, etwas misstrauischer – dennoch nicht misstrauisch genug, um wirkliche Unterschiede erkennen zu lassen.
„Tatort“: BossHoss? Wohl eher BossVoss
Auch wenn Fabian Hinrichs Darstellung von Felix Voss nicht unbedingt aufs hohe Voss … Pardon Ross … gehört, so mag ich, was mit dem Charakter gemacht wird. Denn das, woran jeder andere „Tatort“ scheitert, wird hier gut umgesetzt: Die Rede ist vom persönlichen Drama. Am Anfang fällt Voss auf seine Schulter und ist eigentlich arbeitsunfähig. Aufgrund eines ungesunden Verhältnisses zur Arbeit macht er trotzdem weiter und bekommt einen Fahrer beziehungsweise eine Begleitung namens Fred (Sigi Zimmerschmied) zugeteilt. Diesem Teil des Plots zuzusehen, bringt Spaß – auch wenn es natürlich fragwürdig ist, dass die Frage nach Felix Voss‘ Schulter-OP spannender als der eigentliche Fall ist.
„Tatort“: „Ich sehe dich (lieber nicht)“
Was auch spannender als der eigentliche Fall ist: Die Frage, ob und wie diese neue „Tatort“-Saison überzeugen kann. Alle Hoffnungen ruhen nun auf den Kollegen und Kolleginnen aus Zürich, die in der übernächsten Woche ermitteln – und zuletzt eine mehr als haarige Angelegenheit war. Aber prinzipiell muss man sich in Zürich gar nicht doll anstrengen, um besser zu sein: Eine klarere Geschichte, mehr Auge auf die Technik und besseres Schauspiel dürften das Ruder schon herumreißen … ich vergaß; das ist für den „Tatort“ ja eine gigantische Herausforderung.