Bildgewordene Apathie: Der „Tatort“ „Love is pain“ aus Dortmund ist ein Denkmal der Gleichgültigkeit
Immer noch Sommer, immer noch Pause: Diese Woche wird eine „Tatort“-Wiederholung aus Dortmund versendet – und ist selbst für eingefleischte Fans eine Geduldsprobe. Unsere Kritik.

Der letzte „Tatort“ aus Dortmund ist erst einige Wochen halt und dennoch wird in der Sommerpause ein „Tatort“ ausgestrahlt, der in ebenjener Stadt spielt – bei über 1300 Episoden hat man ja nicht viel Auswahlmöglichkeit. Nach den wirklich guten Wiederholungen der letzten zwei Wochen ist „Love is pain“ ein „Tatort“, der nichts zu erzählen hat – und davon noch zu wenig.
Diesmal aus Dortmund: Davon handelt der Fall „Love is pain“
Eigentlich versucht der junge Stadtbahnfahrer Hamza Arkadaş (Mehmet Daloglu) nur Feierabend zu machen, doch dann wird er von einem jungen Mann (Nils Hohenhövel) mehrfach abgestochen. Prompt beginnen Hauptkommissarin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) und Kriminalhauptkommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) die Ermittlungen – und die scheinen recht einfach; hält der junge Täter doch sein Gesicht in die Kamera der Stadtbahn. Nach einem weiteren Mordfall an einem jungen Mann fällt auf, dass beide Opfer einen gemeinsamen Kontakt hatten: Tom Heinrich (Roberto Capasso). Doch Heinrich liegt in einem Wachkoma und kann keine Antworten liefern – insbesondere auf die Frage, was hier in Dortmund eigentlich los ist.
„Love is pain“: Voller Füllmaterial und dabei nie genial
Ich weiß nicht wer, aber irgendwer hat bei „Love is pain“ die Kernidee des „Tatort“ vollends aus den Augen verloren. Der Part, für den die Leute einschalten, ist nicht das persönliche Blah-Blah-Blah des Kriminalkaders, sondern die Kriminalfälle. Doch statt mit einem unterhaltsamen, spannenden und/oder mysteriösen Kriminalfall aufzuwarten, verlieren sich Peter Faber und Co. in einem „Tatort“ der Belanglosigkeit. Es ist nichts Neues, dass es in TV-Shows oder Serien immer wieder Füllerepisoden gibt, die nicht wirklich auf irgendetwas einzahlen, und so etwas funktioniert auch im Rahmen einer Serie, die wöchentlich oder in bestimmten Intervallen ausgestrahlt wird, aber doch nicht bei einem 90-minütigen TV-Film! Um es mit Fabers Worten zu sagen: „Willkommen in der Hölle, Superwoman.“
„Sie sind also Faber“: Persönliches Drama über alles
Und dabei ist es so ironisch: Niemand der Ermittelnden interessiert sich dafür, dass Faber nach Schicksalsschlag XY zurück ist, und dennoch wird kontinuierlich von Faber erzählt. Aber nicht nur Faber, der (nicht wirklich) um seinen Job fürchten muss und parallel einen Betreuungsplatz für seinen Vater sucht, sondern auch Herzog, der irgendeine Susanne sucht, während Ermittler Pawlak (Rick Okon) um das Sorgerecht für seine Tochter kämpft. Diese Themen sind alle derart präsent, dass man zwischenzeitlich vergisst, dass unter dem „Schmerz“ und der „Zerrissenheit“, die alle Charaktere hier fühlen, ein Kriminalfall schlummert. Alles hier hat die Halbwertszeit einer Folge „GZSZ“ – wie passend, dass „Love is pain“ Folge 1234 des „Tatorts“ ist.
Superrecognizer und mangelnde Technik: Was im Dortmunder „Tatort“ noch schiefläuft
Wie vorher erwähnt, hält der junge Mann sein Gesicht prominent in die Kamera der Dortmunder Stadtbahn. Mal ganz abgesehen davon, dass Dortmunder Verkehrsmittel scheinbar das Alleinstellungsmerkmal von Überwachungskameras, die in Ultra HD filmen, besitzen, kommt eine Superrecognizerin (Sar Adina Scheer) hinzu. Wofür braucht man eine Frau, die supergut Gesichter erkennen kann, wenn das Gesicht in all seiner Glorie zu erkennen ist? Es gibt mit dem Tränentattoo sogar ein konkretes Schönheitsmerkmal. Das ist einfach nur Aktualität, der Aktualität wegen.
Was hingegen nicht aktuell ist, sind bestimmte technische Entscheidungen: Die Titeleinblendung sowie alle Namensnennungen im Eröffnungsabspann sehen aus, als wäre ein Praktikant damit beauftragt worden. Waren das finanzielle Limitierungen oder benutzt man beim WDR noch den Windows Movie Maker?
Zuletzt, weil es sonst nirgendwo in diese Kritik passt: Pawlaks Schwiegermutter (Angelika Bartsch) fragt Pawlak, dessen Kind einst entführt etwas wie „Dein Kind wurde entführt. Hast du schon mal darüber nachgedacht, was das für das Kind bedeutet?“. Mal ganz abgesehen davon, dass der Satz in sich schon fragwürdig ist, könnte man ihn wenigstens damit untermauern, Pawlaks Tochter von diesem Ereignis irgendwie angeschlagen zu zeigen, was sie augenscheinlich nicht ist – hier wird an den falschen Stellen am persönlichen Drama gespart.
„Love is pain“: Gibt es Wiedergutmachungspotential?
Gelinde gesagt, nein. Aber es gibt immerhin Kaffee gegen die bildgewordene Schlaftablette aus Dortmund: Zuerst wäre da eine Verfolgungsjagd, die etwas länger und minimal aufregender als die fünf Sekunden Verfolgungsjagd aus dem neuesten Dortmunder Fall „Feuer“ ist – schon fast beschämend, wenn man so etwas hervorheben muss.
Und dann gibt es noch eine Musikmontage gegen Ende des Tatorts, die immerhin stimmungsvoll und passend zur Grundstimmung ist, wenn auch viel zu pathetisch.
Der WDR will Narkoleptiker: Dortmunder „Tatort“ ist der Schandfleck der Sommerpause
Es wäre zu gut gewesen, um wahr zu sein: Nach dem wirklich coolen Fall „Katz und Maus“ aus Dresden und dem grandiosen Spektakel „Weil sie böse sind“ aus Frankfurt wird einem aus Dortmund nichts geboten, außer einer 90-minütigen Schlaftablette für alle, die derzeitig Probleme bei der Nachtruhe haben. Es war noch nie leichter, sich kurzzuhalten, denn es gibt nichts zu sagen. Der Fall ist viel zu persönlich und setzt viel zu viel Interesse an den Charakteren voraus, als dass man ihn so einfach in der Sommerpause versenden kann. Ganz nach der Regel: Gebt dem Publikum einen Wegwerf-Fall anstelle eines Falles zum Wegwerfen.