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 "Alles dichtmachen": Deutsche Stars fürchten die Corona-Diktatur | Kommentar

53 deutsche Prominente beklagen mit "Alles dichtmachen" den Lockdown - und verhöhnen mit ihrer Aktion indirekt die Opfer der Corona-Pandemie. Warum die Clips von Jan Josef Liefers, Heike Makatsch und Co. nicht umsonst von Rechtsaußen beklatscht werden. 

Jan Josef Liefers
Jan Josef Liefers kritisiert die aktuelle Corona-Politik der Bundesregierung. Foto: IMAGO / Eventpress
Inhalt
  1. "Alles dichtmachen": Spott und Häme für die Corona-Betroffenen
  2. "Nie wieder aufmachen": Prominente wie Elyas M'Barek und Nora Tschirner kritisieren die Aktion
  3. "Lockdown für immer": Jan Josef Liefers spielt Verschwörungsmythen in die Hände
  4. "Nie wieder aufmachen": Heike Makatsch distanziert sich 

53 deutsche Stars – darunter Schauspieler:innen wie Jan Josef Liefers, Heike Makatsch und Ulrich Tukur – machen mobil gegen die Corona-Politik der Bundesregierung. Unter Hashtags wie #allesdichtmachen, #niewiederaufmachen oder #lockdownfürimmer kursieren kurze Clips auf YouTube, in denen die Prominenten nicht nur auf die prekäre Lage der Kultur in der Pandemie hinweisen, sondern sich auch über die Angst vor dem Virus lustig machen. Coronaleugner:Innen von der AfD über KenFM und Hans-Georg Maaßen bis zu den Querdenkern jubeln, andere zeigen sich entsetzt – was ist denn da los?

 

"Alles dichtmachen": Spott und Häme für die Corona-Betroffenen

Klar: Corona nervt. Wer wollte nicht einmal wieder ins Kino oder ins Theater gehen, im Biergarten sitzen, oder die Oma öfter als einmal die Woche im Pflegeheim besuchen? Corona bedroht Existenzen, nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in psychischer Hinsicht, etwa wenn die Pandemie-bedingte Isolation die Zahl manifester Depressionen in die Höhe schnellen lässt. Und schließlich, was im aktuellen Debattenfuror manchmal unterzugehen droht: Corona tötet. Keine Panikmache, sondern ein Fakt, der weltweit millionenfach belegt ist.

Gerade letzterer Punkt kommt in der Videoaktion der deutschen Schauspiel-Prominenz so gut wie gar nicht vor. Und wenn doch, dann in Form von Spott und Häme über diejenigen, die die Pandemie partout nicht auf die leichte Schulter nehmen können oder wollen, und die es sich jetzt auch noch gefallen lassen müssen, als "Schlafschafe" dargestellt zu werden, die blind allem folgen, was "die da oben" ihnen vorschreiben. Das alles begleitet von leiser Klaviermusik und vorgetragen mit süffisanter Ironie.

All das könnte man bizarr, vielleicht sogar amüsant finden, wenn denn die Lage nicht so ernst wäre. Denn letztlich handelt es sich bei den Clips um eine zynische Aufkündigung des Solidaritätsgedankens, die in ihrer Destruktivität einer notwendigen Debatte schadet. Mehr noch: Für all diejenigen, die in ihrer Verwandtschaft Corona-Tote zu betrauern haben, die zu einer Risikogruppe gehören und in diesen Zeiten auf die Solidarität ihrer Mitmenschen angewiesen sind, für all die Intensivpfleger:innen, die an der Grenze ihrer Belastbarkeit und darüber hinaus arbeiten, ist die Aktion ein Schlag ins Gesicht.

 

"Nie wieder aufmachen": Prominente wie Elyas M'Barek und Nora Tschirner kritisieren die Aktion

Natürlich muss man mit der Corona-Politik der Bundesregierung nicht einverstanden sein. Das Impfdebakel, die halbherzigen Beschlüsse der Corona-Gipfel, das Vergessen der Kulturbranche bei gleichzeitiger Unfähigkeit, auch Infektionsherde wie die Betriebe bei der Pandemie-Bekämpfung in die Pflicht zu nehmen – die Liste verpasster Chancen und unsinniger Entscheidungen ist lang. All das darf und sollte diskutiert und auch kritisiert werden – und wird es, anders als die Damen und Herren von "Nie wieder aufmachen" suggerieren, auch.

Entsprechend verständnislos reagierten viele prominente Kolleg:innen auf die Aktion. Moderator Tobias Schlegel, der auch als Notfallsanitäter arbeitet, schrieb auf Twitter: "Die Schauspieler*innen von #allesdichtmachen können sich ihre Ironie gerne mal tief ins Beatmungsgerät schieben". Auch Stars wie Elyas M'Barek ("Come on, das ist doch Blödsinn") und Nora Tschirner ("Unfuckingfassbar") zeigten sich in den sozialen Medien fassungslos.

Nun sind Liefers und Co. nicht zwangsläufig auf eine Stufe zu stellen mit einer Nena, die Querdenker:innen in Kassel beklatscht, und erst recht nicht mit einem Xavier Naidoo, der sich schon seit geraumer Zeit jenseits von Gut und Böse bewegt. Niemand sollte per se verurteilt werden, nur weil der Applaus von fragwürdiger Seite kommt. Doch den selbst ernannten kritischen Geistern lediglich Naivität zu unterstellen, wäre ebenso verharmlosend.

Die Schauspieler, die jetzt die tapferen Kämpfer gegen eine imaginierte Corona-Diktatur geben, sind Medienprofis. Ein "Denn sie wissen nicht, was sie tun" kann hier nicht gelten. Die zynische Ironisierung der YouTube-Clips darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier ein ganz bestimmtes Narrativ bedient wird – und noch mehr Gift in eine Debatte geträufelt wird, die ohnehin schon polarisiert ist. Gelinde gesagt.

 

"Lockdown für immer": Jan Josef Liefers spielt Verschwörungsmythen in die Hände

Beispiel Jan Josef Liefers. Der sagt in seinem Clip: "Danke an alle Medien unseres Landes, die seit über einem Jahr unermüdlich, verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz, ganz oben. Und dafür sorgen, dass kein unnötiger kritischer Disput uns ablenken kann von der Zustimmung zu den sinnvollen und immer angemessenen Maßnahmen unserer Regierung." Man hat schon weniger eloquente Weisen gehört, "Lügenpresse!" zu schreien.

Oder das hier: "Verantwortungslosen, menschenverachtenden Wissenschaftlern, die zu anderen Schlüssen kommen als die beratenden Experten unserer Regierung und die sich mit Professoren an weltberühmten Universitäten und Nobelpreisen schmücken – ich möchte sagen: tarnen – dürfen wir keine Bühne geben. Schließlich wissen nur ganz wenige, was wirklich gut für uns ist", fährt Liefers fort. Uff.

Davon abgesehen, dass ernstzunehmende Wissenschaftler:Innen, die die realen Gefahren des Coronavirus und die Notwendigkeit ihrer Bekämpfung leugnen, wohl mit der Lupe zu suchen wären, geht von diesen Sätzen eine andere Gefahr aus. Schwingt hier doch eine Sichtweise mit, die hinter den aktuellen Maßnahmen dunkle Machenschaften einer Elite vermutet, die in böswilliger Weise Politik gegen die eigene Bevölkerung betreibt. Warum sie das tun sollte, bleibt bei all dem pseudo-kritischen Geschwurbel offen. All das ist mindestens anschlussfähig für Verschwörungsmythen, die auch vor antisemitischen Klischees nicht zurückschrecken.

Jan Josef Liefers hat inzwischen in einem Tweet eine in sein Video "hinein orakelte, aufkeimende Nähe zu Querdenkern" zurückgewiesen. Sein jüngstes Video sei lediglich ein "ironischer Kommentar". Wie überzeugend das ist, davon muss sich am Ende jede:r selbst ein Bild machen. Denn die attestierte inhaltliche Nähe zu der Querdenken-Bewegung resultiert ja nicht aus böswilligen Überinterpretationen des Gesagten, sondern aus parallelen Denkmustern, die - bei aller Ironie - offen zutage liegen. Zumal der laut Impressum Verantwortliche der Kampagne, wie ein Investigativjournalist von Netzpolitik.org jetzt herausgefunden hat, schon im Mai 2020 mit Corona verharmlosenden Aussagen aufgefallen sein soll.

 

"Nie wieder aufmachen": Heike Makatsch distanziert sich 

Die Corona-Pandemie bedeutet eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung für alle Menschen. Dafür bedarf es einer Debatte, ein Ringen um die besten Lösungen, und ja, auch einer kritischen Auseinandersetzung. Was es nicht braucht, sind Egoismus, dumpfes Geraune gegen vermeintliche Eliten, Wissenschaftsfeindlichkeit, und selbst ernannte Kämpfer für das Gute, die sich verschwörungsideologischer Narrative bedienen.

Heike Makatsch hat sich von der Aktion inzwischen distanziert. Auch das könnte eine Lektion sein, die wir aus der Pandemie ziehen können: offen sein, zuhören, dazulernen, Fehler erkennen, es besser machen. Solidarisch, kritisch und im offenen Austausch.

Christoph Carsten

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