„Superman“: Bunt, lustig – aber auch gut? Kritik zu James Gunns DC-Neustart
Nach dem düsteren Snyderverse fängt DC noch einmal von vorne an. Unter der Führung von James Gunn bringt „Superman“ die Farbe ins DCU zurück.

Auch wenn Regisseur James Gunn etwas anderes behauptet: Viel hängt vom Erfolg von „Superman“ ab. Schließlich handelt es sich hier um den Auftakt eines neuen Helden-Universums, dessen Fortsetzungen bereits fest eingeplant sind. „Superman“ muss also nicht nur eine neue Welt mit bekannten, aber leicht veränderten Figuren einführen, sondern auch Lust auf mehr machen.
Das gelingt zum größten Teil, denn „Superman“ ist Sommerkino der alten Schule, das sich nicht deutlicher vom alten DC-Universum abgrenzen könnte. Der Film ist hoffnungs- und humorvoller, bunter (wenn auch teils sehr digital und grell, was schon seit „The Suicide Squad“ unglücklicherweise zu Gunns Markenzeichen geworden ist) und auch kürzer. Mit knapp 130 Minuten hat man es hier mit einem Abenteuer und nicht mit einem Epos zu tun.
Sehenswert oder nicht? Wie gut ist der neue „Superman“?
Wer noch immer dem Snyderverse nachtrauert, hält sicher nicht viel von dieser Frischzellenkur, doch Superman passt mit seiner simplen, aber zeitlosen Botschaft der Hoffnung eigentlich perfekt in ein farbenfrohes Metropolis. Und während Henry Cavill noch sichtbar die Last der Menschheit auf seinen muskulösen Schultern trug, ist David Corenswet der bisher menschlichste Superman.
Das macht ihn weniger zu einem bloßen Vorbild als zu einer sympathischen und emotionalen Figur, mit der man sich identifizieren kann. In seinen besten Momenten erinnert Corenswet hier an Brendan Fraser während der „Mumien“-Ära – cool, charmant, aber auch nett und humorvoll.
Die Handlung von „Superman“, die in den Trailern weitestgehend umschifft wurde, ist größtenteils funktional. Das Potenzial eines interessanten Twists in der ersten Hälfte des Films wird kaum ausgenutzt, könnte in der DC-Zukunft aber noch eine wichtigere Rolle spielen. Gleiches gilt für die moralischen Fragen, die Supermans Eingreifen in internationale Konflikte aufwirft.
„Superman“ zweifelt nie an den guten Absichten des Cape-Trägers, und das autonome Handeln von Helden wurde natürlich schon in „Civil War“ aus dem Hause Marvel thematisiert, doch „Superman“ hätte ein noch interessanterer Film werden können, wenn die Verhältnisse weniger schwarz-weiß wären. Superman als gutherziger Übermensch und Lex Luthor als durch und durch böser und größenwahnsinniger Schurke – das ist die klassische Dynamik, an der hier nicht gerüttelt wird.
Ein lebendiges Comic-Universum

Das MCU begann mit „Iron Man“, offenbarte durch den Auftritt von Nick Fury größere Pläne, reicherte die Welt aber erst nach und nach mit Helden an. DC wollte damals nicht so lange warten; nach „Man of Steel“ traf Superman im nächsten Film direkt auf Batman und Wonder Woman, während Aquaman, The Flash und Cyborg zumindest kurz angedeutet wurden.
„Superman“ geht hier einen guten Zwischenweg. Ja, es handelt sich um den ersten Film des neuen DCU (nicht aber um das erste DCU-Projekt), doch Superman ist hier nicht der erste oder einzige Held. Green Lantern, Mr. Terrific, Hawkgirl und Metamorpho stehen zwar weniger im Mittelpunkt als der Kryptonier, doch sie sind dann doch mehr als Cameos oder Fanservice. Das passt in die Welt der Comics, wo Helden ständig auf ihre Kollegen treffen – ob man sich nun mag und zusammenarbeitet oder nicht.
Die Auswahl der Figuren gefällt auch, gewährt sie Laien doch einen seltenen Blick auf die Helden aus der zweiten Reihe des DC-Kosmos (es ist zweifellos gewagt, Green Lantern seinen Ruf als DC-Star abzusprechen, doch Nathan Fillions Guy Gardner ist natürlich nicht die Art von Lantern, die man hier erwarten würde oder in der kommenden „Lanterns“-Serie zu sehen bekommen wird).
Im Kern dreht sich in „Superman“ aber alles um Supermans Verhältnis zu Lois Lane und seine Abstammung. Auch wenn hier auf die hinlänglich bekannte Origin-Story von Superman verzichtet wird, muss er immer noch für sich selbst lernen, was es bedeutet, als Außerirdischer unter Menschen zu leben.
Supermans große Liebe – Krypto

David Corenswet gelingt es sehr gut, einen etwas unsicheren Superman zu verkörpern, der dennoch nicht zu deprimiert, grüblerisch oder schwach wirkt – wenn nicht gerade Kryptonit im Spiel ist. Während Cavills Version einen Superman für Erwachsene darstellte, die mit Christopher Reeves Superman aufgewachsen sind, ist Corenswets Mann aus Stahl wieder zugänglich für alle Generationen und der perfekte Held für Kinder, die Superman vorerst nur in Form von Actionfiguren und Bildern auf Cornflakespackungen kennenlernen, bis sie alt genug für den eigentlichen Film sind.
Verstärkt wird dieser Effekt natürlich durch Superhund Krypto. Was in anderen Filmen höchstens ein humorvoller Gastauftritt wäre, wird in „Superman“ zum Fokus vieler Szenen – Krypto ist überall. Abgesehen vom teils recht albernen Humor ist Krypto der größte Hinweis darauf, dass James Gunn hier freie Hand hatte und seine eigenen Vorlieben uneingeschränkt ins Drehbuch einfließen lassen durfte.
Als großer Hundenarr ließ sich Gunn für Krypto von seinem eigenen Hund inspirieren, und so sorgt der kryptonische Mischling immer wieder für Chaos. Für Tierfreunde und Spielzeughersteller zweifellos ein Gewinn, für alle anderen auf Dauer ein wenig ermüdend.
Starke Lois und Standard-Lex

Wer „The Marvelous Mrs. Maisel“ gesehen hat, weiß, dass Rachel Brosnahan eigentlich die Idealbesetzung für Lois Lane darstellt. Tough und humorvoll bildet sie mit Superman ein starkes Team, und während die meisten anderen Reporterinnen und Reporter vom Daily Planet recht überzeichnet sind, ist Lois die vermutlich realistischste Figur im ganzen Film.
Nachdem Zack Snyder aus Lex Luthor noch einen fiesen Tech-Bro gemacht hatte, ist Nicholas Hoults glatzköpfiger Bösewicht einfach eine etwas jüngere Version des bekannten Gegenspielers. Er ist brillant, reich, größenwahnsinnig, und er hasst Superman – da bleibt wenig Platz für leise Zwischentöne.
Und während Gunn Luthors Hass auf Superman einst als nachvollziehbar beschrieb, lässt der Film keinen Zweifel daran, dass wir es bei Lex mit einem wirklich fiesen Mistkerl zu tun haben. Er intrigiert, mordet, foltert und unterdrückt seine Angestellten. Das passt zu Lex Luthor, aber es fügt dem Altbewährten wenig Neues hinzu, und auch wenn Luthor mittlerweile zu den bekanntesten Comic-Schurken gehört, war Hoults Darstellung bisher noch keine wirklich denkwürdige Szene vergönnt.
Fazit

„Superman“ erfindet das Superheldenrad nicht neu, und vom großen Neustart des DC-Universums hätte man vielleicht etwas mehr Spektakel und Überraschungen erwartet – besonders, nachdem sich die Trailer vor allem auf die erste halbe Stunde des Films konzentriert haben und somit scheinbar Geheimnisse bewahrt haben, die der fertige Film gar nicht zu bieten hat.
Aber das ist vor allem ein Problem der Erwartungshaltung und weniger eines des Films selbst, dem man eigentlich nur tonale Inkonsistenz vorwerfen kann. Als unterhaltsamer Sommerblockbuster macht „Superman“ seine Sache gut, und es bleibt auf jeden Fall spannend, in welche Richtung das DCU als Nächstes gehen wird.
Dass kommende Regisseure aber einen Freifahrtschein haben und Gunns „Superman“ nicht als stilistische Schablone benutzen müssen, dürfte sich als glückliche Fügung erweisen. Mit „Guardians of the Galaxy“ brachte Gunn frischen Wind ins MCU, aber seine Vorliebe für alberne Außenseiter wird bestenfalls in Maßen genossen.