„Fantastic Four: First Steps“ Kritik: „Die Unglaublichen“ im Marvel-Gewand
Fehlende Lizenzen hinderten Disney lange Zeit daran, die „Fantastic Four“ ins MCU zu holen. Nun ist es endlich so weit – hat sich das Warten gelohnt?

Warum war „Thunderbolts*“ kein größerer Kinoerfolg? Für Marvel-Chef Kevin Feige ist die Antwort klar: Die Figuren aus dem letzten MCU-Team-up waren zu unbekannt; ein Quasi-Spin-off zu „Black Widow“ und „The Falcon and The Winter Soldier“ lockte den Gelegenheitsfan nicht ins Kino.
Auch wenn „Fantastic Four: First Steps“ schon längst abgedreht war, als „Thunderbolts*“ hinter den Erwartungen zurückblieb, fühlt sich der 37. Marvel-Film bereits wie eine bitter nötige Kurskorrektur an.
Der lange herbeigesehnte MCU-Auftritt von Reed Richards, Ben Grimm sowie Sue und Johnny Storm ist wohl der eigenständigste Marvel-Film seit „Iron Man“. Vorwissen? Nicht nötig. Easter Eggs und Anspielungen? Mangelware.
Kevin Feige deutete kürzlich an, dass das MCU durch „Avengers: Secret Wars“ eine Art Neustart erleben wird. Wenn „Fantastic Four“ hier die Richtung vorgibt, darf man vorsichtig optimistisch sein.
Die Sechziger, nur anders

Genau wie „Superman“ verzichtet auch „Fantastic Four: First Steps“ darauf, die Entstehungsgeschichte der Helden ausführlich zu behandeln. „Astronauten wurden im Weltraum kosmischer Strahlung ausgesetzt und entwickelten daraufhin Superkräfte“ – diese Ausgangslage nahm in früheren Filmen eine halbe Stunde ein, nun erfüllt ein Nebensatz diesen Zweck.
Es ist eine weise Entscheidung, denn so kann „Fantastic Four“ direkt in die retro-futuristische Welt einführen, die schon seit vier Jahren von den heldenhaften Taten der Fantastischen Vier und den brillanten Erfindungen von Reed Richards profitiert.
Dieser kleine Prolog erinnert – wie so vieles im Film – an Pixars „Die Unglaublichen“. Eine Superhelden-Familie, der Mix aus Vergangenheit und Zukunft, der stimmungsvolle Score von Michael Giacchino – mit dem „Moleman“ hat der Film sogar eine ganz eigene Version des „Tunnelgräbers“!
Es ist eine gleichermaßen bekannte und interessante Welt, und schon jetzt ist es schade, dass die Fantastic Four über kurz oder lang bei den uns bekannten Avengers landen „müssen“. In den letzten Jahren entwickelte sich eine Marvel-Formel, der „Fantastic Four: First Steps“ weitestgehend entkommt.
Und auch wenn das Superheldenkino hier nicht neu erfunden wird, konzentriert man sich doch auf die Stärken dieses Genres und erzählt eine durchweg unterhaltsame Geschichte, die sich gleichzeitig klein und groß anfühlt.
Galactus: Groß, tödlich und sehr langsam

Auch sechs Jahre nach „Avengers: Endgame“ reden Marvelfans noch oft und gerne über Thanos. Das spricht für den lila Titanen – aber auch gegen viele andere MCU-Gegenspieler, die oft zum vergessenswerten Mittel zum Zweck verkamen.
Was „Fantastic Four: First Steps“ hier richtig macht, ist, dass der riesige und gottgleiche Planetenverschlinger Galactus weniger im Fokus steht als die nahende Bedrohung durch ihn. Sobald das drohende Ende der Erde vom Silver Surfer verkündet wurde, läuft der Countdown – und vor allem Superhirn Reed Richards sucht verzweifelt nach einer Lösung.
Was hier schnell auffällt: Die elastischen Fähigkeiten von „Mr. Fantastic“ spielen eine eher untergeordnete Rolle. Im MCU werden die Kosten gesenkt, und während sich die Fähigkeiten der anderen Fantastischen Drei recht leicht animieren lassen, wird der Gummimann der Truppe nur sparsam eingesetzt – hier stößt das CGI nämlich an seine realistischen Grenzen.
Es hilft natürlich, dass die Bedrohung durch Galactus ohnehin Köpfchen statt Muskeln erfordert. Galactus’ Angebot, die Erde im Austausch gegen Reeds und Sues Sohn Franklin zu verschonen, bietet interessantes Konfliktpotenzial.
Natürlich würden die Fantastic Four nie ein Kind opfern – doch Reed lässt sich diese Option zumindest durch den Kopf gehen. Eine kurze Andeutung, dass sich Reed auf dem Autismus-Spektrum befindet, passt nicht nur zum Comic-Kanon, sondern macht die Figur auch deutlich interessanter und vielschichtiger.
Während Reed und Sue ein weitestgehend eingespieltes Team sind und auch Johnny im Verlauf des Films seinen Mehrwert beweist, bleibt Ben Grimm ein wenig blass. Sein steiniges Äußeres scheint ihm keine Sorgen zu bereiten, und da es an Prügel-Action mangelt, wird die große Stunde vom „Ding“ wohl erst in einem späteren Film schlagen.
Fazit: Es geht doch!

Oft war in den letzten Jahren von der aufkommenden Superhelden-Müdigkeit zu hören, doch nach „Superman“ beweist nun auch „Fantastic Four: First Steps“, dass Comichelden auch weiterhin im Kino begeistern können. Der Auftakt der sechsten MCU-Phase ist eine bunte und gleichermaßen humor- wie hoffnungsvolle Überraschung. Gerne mehr davon!