Interview zum James Bond Spiel „First Light“: Was man von dem heißerwarteten Videospiel erwarten kann
Ein James Bond Videospiel vom „Hitman“-Entwicklerteam klingt wie ein Traum, der zu schön ist, um wahr zu sein. Ob dieser Traum aber auch den Erwartungen der Fans gerecht werden kann, erzählt „IO Interactive“ Chief Creative Officer Christian Elverdam im folgenden Interview …

Wer wäre besser geeignet als „IO Interactive“, um Gamern weltweit ein neues James Bond Videospiel zu bieten. Das Aushängeschild des Entwicklerstudios Agent 47 aus dem „Hitman“-Franchise ähnelt dem britischen Geheimagenten stellenweise schon sehr. In einem Interview mit dem „IO Interactive“ Chief Creative Officer Christian Elverdam gehen wir den wichtigen Fragen rund um „First Light“ auf den Grund: Wie sehr ähnelt das Spiel den „Hitman“-Spielen? Welche Charaktere werden dabei sein? Und wieso ist James Bond plötzlich ein junger Mann?
„007 First Light“: Wer spielt Bond und wer wird der Gegenspieler?
Jonas Kretzer, TV Movie Online: Wie wurde ausgewählt, welche beliebten Charaktere aus dem Bond-Franchise im Spiel auftauchen werden? Standen die Charaktere an erster Stelle oder mussten sie sich der Geschichte unterordnen?
Christian Elverdam: Das war ein ziemlich organischer Prozess, um ehrlich zu sein. Die meisten Charaktere aus dem Franchise sind mittlerweile unvermeidbar. Q, M, Moneypenny – das sind alles sehr zentrale und etablierte Charaktere des Bond-Universums. Die Frage war demnach nicht, ob man diese Charaktere benutzt, sondern viel eher wie man sie in die Story einbaut.
Kretzer: Wer ist der Bösewicht in „First Light“? Wird es jemand Neues oder ein bekannteres, aber jüngeres Gesicht?
Christian Elverdam: Wir wollen natürlich nicht spoilern und demnach gibt es Menge Dinge, die wir noch nicht verraten wollen und dazu gehört leider auch der Antagonist oder die Antagonistin. Was wir aber sagen können, ist, dass die Spieler und Spielerinnen eine lange Kampagne vor sich haben werden und wir uns klare Gedanken gemacht haben, wie wir diese Geschichte ausbalancieren. Deshalb wollen wir auch nicht alles vorab verraten – wir wollen den Spielern ja nicht alles verderben.
Kretzer: Das ist durchaus wahr. Gab es einen langen Casting-Prozess, bis schlussendlich Patrick Gibson als der James Bond für „First Light“ bestimmt wurde? Insbesondere unter Anbetracht, dass sich das Bond-Film-Franchise seit knapp vier Jahren mit der Bestimmung eines neuen Bonds schwertut.
Christian Elverdam: Um das einmal klarzustellen: Bisher haben wir noch nicht bestätigt, dass Patrick Gibson der James Bond in „First Light“ sein wird. Wir werden zu gegebener Zeit darüber sprechen, wer unser Bond ist. Was wir sagen können: Das Casting ist immer ein interessanter und kein einfacher Prozess. Und es ist offensichtlichen Gründen nicht einfach James Bond neu zu denken, da er einer der bekanntesten Figuren in der Unterhaltung ist. Als wir unseren Bond kreiert haben, waren wir vor allem von Ian Flemmings Büchern inspiriert. Und ich kann es kaum erwarten diese Inspiration mit der Welt zu teilen: Vor allem wie unser James seine Narbe im Gesicht überhaupt bekommt.
„Hitman First Light“? Wie sehr ähnelt das Bond-Spiel Agent 47?
Kretzer: Wie sehr unterscheidet sich das Gameplay von „First Light“ gegenüber dem Gameplay der „Hitman“-Spielen?
Christian Elverdam: Beide Spiele wirken auf den ersten Blick sehr vertraut und dann wieder unterschiedlich. Der Grund dafür, dass sich viele Personen freuen, dass „IO“ ein James-Bond-Spiel entwickelt, ist, dass „Hitman“ schon eine Agenten-Fantasie war. Und zu dieser wird es viele Ähnlichkeiten geben: Zum Beispiel, dass man die ganze Welt bereist. Man erlebt lebendige und atmende Schauplätze, die mehr können als nur ein „Shoot ‘em up“ zu sein. Ich glaube, dass viele Leute wissen, dass das zu unserem Portfolio gehört und dass wir in solchen Dingen einfach sehr gut sind. Und ich denke, wenn man „Hitman“ mag, dann erlebt man mit James Bond viele neue, aber auch altbekannte Aspekte. Ein wichtiger Grund für uns, ein „James Bond“-Spiel zu machen, ist, dass wir das Gefühl hatten, dass es eine Möglichkeit gibt, die Figur in einem Spiel auf eine Art und Weise darzustellen, wie es bisher noch nicht gemacht wurde. Natürlich gibt es auch wie in den vorherigen Spielen den Fokus auf Schießereien und Action, aber vor allem wollten wir zeigen, was es bedeutet, 007 zu sein, zu einer 360 Grad-Erfahrung zu machen. Dazu gehört es auch, Orte zu infiltrieren und auf großen Events, wo viele Leute anwesend sind, zu sein. Und es wird eine Menge Gameplay geben, das man eher als Spionagearbeit und weniger als Schießereien bezeichnen kann.
Kretzer: Aber wird das Spiel linearer sein oder den Sandbox-Elementen der „Hitman“-Spiele folgen?
Christian Elverdam: Nun, ich denke, es ist ohne Zweifel einfach zu sagen, dass es linearer sein wird als ein Hitman-Spiel. Denn ich denke, „Hitman“-Spiele sind der Inbegriff von non-linearer Wiederspielbarkeit. Wenn wir ein „Hitman“-Spiel entwickeln, sagen wir gerne, dass die Schauplätze so etwas wie die Hauptfigur sind. Jeder Schauplatz muss sich anfühlen, als wäre er lebendig, und man muss ihn hunderte Male spielen können. Und ich übertreibe nicht. Normalerweise, wenn ein Hitman-Spiel entwickelt wird, ist eines der schwierigsten Dinge, die wir tun müssen, die Leute davon zu überzeugen, dass man „Hitman“ nicht durchgespielt hat, nur weil man Level 1 bis Level X geschafft hat. „Hitman“ durchzuspielen, bedeutet auch, dass man jeden Ort, an den man kommt, gemeistert haben muss. Das ist aber bei „First Light“ nicht der Fall. Es besteht also offensichtlich nicht der Wunsch, ein Level hundertmal zu wiederholen. Trotzdem hoffe ich, dass die Leute das Spiel mehrere Male spielen werden, denn es wird einige verschiedene Entscheidungen geben, die man treffen kann, und es wird auch sehr nicht lineare Abschnitte im Spiel geben. Auch wenn es also keine ausgewachsene Hitman-Sandbox ist, so hat es doch mit Sicherheit einige sehr wiederholbare Passagen. Und Aspekte wie das Fahren mit dem Auto werden linear sein.
Open-World oder Levelauswahl? Was man von „First Light“ erwarten kann!
Kretzer: Apropos, Autos. Wird „First Light“ eine Open-World oder eher eine Art Levelauswahl haben?
Christian Elverdam: Was ich sagen kann, ist, dass sich diese Fragen klären werden, wenn man das Spiel selbst in der Hand hat. Aber „First Light“ ist kein Open-World-Spiel in dem Sinne, wie ich es mir vorstelle, wo man sich vorab ein Land oder einen großen Ort aussucht, welche dann zu einer Sandbox werden. Man wird eher verschiedene Orte der Welt bereisen, die zur Geschichte passen – so wie man es von einem Bond-Film erwarten würde. Das ist mehr ein Versprechen, verschiedene Orte in der Welt zu bereisen, die natürlich ein bisschen zur Geschichte passen, wie man es von einem Bond-Film erwarten würde. Ich denke, im Allgemeinen neigen Open-World-Spiele dazu, sich auf ein Gebiet zu beschränken, und dieses Gebiet kann kleiner oder größer sein, aber so funktionieren Weltreisen nicht. Um eine James-Bond-Geschichte zu erzählen, müssen wir auch viele Orte der Welt bereisen.
Kretzer: Unter Anbetracht der Tatsache, dass der Bond-Kanon strikt gehandhabt wird, wie sehr war MGM an der Entwicklung dieses virtuellen Bond-Erlebnisses beteiligt?
Christian Elverdam: Es war ein sehr kollaborativer Prozess. Es handelt sich um ein Franchise, das den Test der Zeit überstanden hat. Und natürlich wollen dann Personen auch sicherstellen, dass wir genau in dem Bereich arbeiten, der wirklich James Bond darstellt. Das war eine sehr interessante Reise für uns, denn wir sind die Eigentümer von Hitman und wir wissen, was es bedeutet, ein Franchise mit Respekt zu behandeln. Hitman ist ja auch schon 25 Jahre alt, aber nicht ansatzweise so alt wie James Bond. Es ist immer wichtig, sensibel mit dem geistigen Eigentum von anderen Personen umzugehen. Und ich denke, dass uns diese Sensibilität geholfen hat, als wir herausfinden wollten, wie wir James darstellen und die dazugehörige Open World DNA verarbeiten. Es geht darum, was man mit dieser DNA macht – und nicht, ob sie da ist oder nicht. Ich denke, die grundlegendste Veränderung ist, dass wir das Spiel als erste Geschichte für einen jungen James Bond konzipiert haben. „First Light“ ist ein Spiel für Gamer und Fans des Franchise.
Baby-Bond? „First Light“ versucht vieles neu zu denken
Kretzer: Stichwort „junger Bond“: Wie kommt man auf das Konzept, eine jüngere Version dieses populären Charakters zu erzählen. Das ist ja ein Umstand, den man in diesem Franchise sonst eher selten sieht.
Christian Elverdam: Als wir versucht haben, herauszufinden, was wir eigentlich mit dem Spiel machen wollen, dachten wir uns, dass es eigentlich super interessant wäre, die Person James Bond von seinem Beruf als Agenten zu trennen. Im Filmfranchise handelt es sich ja doch eine lange Zeit um ein- und dieselbe Person. Und wir wollen Personen das Gefühl geben, sich mit James seine Sporen zu verdienen. Ergo der Slogan: „Earn the Number“. Dafür haben wir alles auf eine Frage heruntergebrochen: Was ist James Bond? Er ist rücksichtslos. Er ist oft im Konflikt mit Autorität. Aber er ist auch 007 und in seiner Jobbezeichnung steht nun mal nicht „piss off your boss“. Wir haben sehr viel Zeit damit verbracht, aufzuschlüsseln, wer James Bond ist. Was wir wissen: In diesem Spiel lernt er sein Spionagehandwerk. Er lernt, was es bedeutet, 007 zu werden. Und wir fanden, dass das nach einer spannenden Reise klingt.
Kretzer: Vor dem ersten Trailer für „First Light“ dachten viele, dass der Bond im Spiel Pierce Brosnans Version des Charakters sein wird – manche sagten sogar, dass die Silhouette wie Simon Pegg aussieht. Da stellt sich die Frage: Gab es für die neue, jüngere Version von James Bond optische oder charakterliche Vorbilder?
Christian Elverdam: Es ist generell sehr schwer, irgendetwas mit James Bond zu machen, ohne dass an die ikonischen Filme gedacht wird. Viele Leute lieben die Daniel Craig-Ära, weil versucht wurde, mehr als nur die Oberfläche des Charakters darzustellen. Zum ersten Mal wurde ein Blick auf James Bond als menschliches Wesen geworfen und der ständigen Erwartungshaltungen, die an ihn gestellt werden – vor allem die, was es bedeutet, ein Agent zu sein. Das ist natürlich alles sehr inspirierend. Es ist das, was ich gerade schon einmal sagte: Was ist der Unterschied zwischen James und 007? Diese Frage war eine große Inspiration für uns. Da wir es aber auch mit einem Videospiel zu tun haben, haben wir uns natürlich auch die verspielten Gadgets aus den Filmen genau angesehen. Die Frage, welche diese Gadgets für die Spieler und Spielerinnen interessant sind, war sehr unterhaltsam. Und wie in manchen der Filme gibt es in unserem Spiel auch Humor – und ich denke, dass unser Sinn für Humor den Leuten gefallen wird. Eine kleine Kostprobe gibt es ja schon am Ende des Trailers, wenn James über den Alligatoren hängt. So ein leichter und verschmitzter Humor passt unserer Meinung nach sehr gut zu einer jüngeren Iteration des Charakters.
Kretzer: Im Trailer sieht man ja schon eine Verfolgungsjagd mit einem Aston Martin – wird es noch weitere solcher Gameplay-Elemente geben?
Christian Elverdam: Wir dürfen natürlich nicht zu viel spoilern, aber wenn man ein Videospiel spielt, hat man sicher die Erwartungshaltung, auch andere Fahrzeuge oder Vehikel zu steuern, nicht wahr?
Kretzer: Vielleicht. Wer weiß das schon? Gab es ein Buch von Ian Fleming, das als Inspiration für „First Light“ gedient hat oder handelt es sich hierbei um eine gesunde Mischung aus dem Quellmaterial in Verbindung mit ein paar Klischees des Agent-Genres?
Christian Elverdam: Wenn es um die Bücher geht, haben wir uns hauptsächlich die Darstellung der Figur angesehen. Unsere Hauptinspirationsquelle waren aber eher die Filme. Je weiter man in der Zeit zurückgeht, umso schwieriger wird es, sich mit dem Charakter auseinanderzusetzen. Das hängt vor allem damit zusammen, dass man so viel Verständnis für die damalige Zeit und die Gepflogenheiten haben muss. Was man auch verstehen muss, ist, dass „First Light“ ein audiovisuelles Medium ist und es für uns ebenso wichtig ist, darüber nachzudenken, wie sich eine Verfolgungsjagd oder ein actiongeladener Moment anfühlen sollte. Unser Ansatz versucht vor allem eins zu sein: zeitgemäß und modern.