„Andor“ – Staffel 2: So gut ist die finale Staffel der „Star Wars“-Serie!
Die 2. Staffel von „Andor“ knüpft an die exzellente erste Staffel an und erzählt die wohl komplexeste und packendste Geschichte im „Star Wars“-Universum.

Es gibt einen guten Grund, warum „The Wire“ auf vielen Serien-Toplisten immer sehr weit vorne landet – übrigens auch bei mir. Geschichten über Cops und Gangster gibt es wie Sand am Meer. Doch viele Filme und auch Serien vergessen oft, dass zwischen dem kriminellen Drogendealer und dem heldenhaften Cop ein sehr weiter Graubereich liegt – und der, wenn gut erzählt, eben auch verdammt spannend und authentisch sein kann.
Showrunner David Simon geht in „The Wire“ mit einem messerscharfen Skalpell an die Arbeit – und seziert in fünf Staffeln mit mühevoller Kleinarbeit, wie ein hausgemachtes Drogenproblem in einer Stadt wie Baltimore jede Faser des öffentlichen Lebens tangiert – und damit auch alle Betroffenen. Vom korrupten Hafenarbeiter über die abgehängten Problemfälle in den Schulen bis hin zu zwielichtigen Cops, die schon längst vergessen haben, wo die Trennlinie zwischen Recht und Unrecht eigentlich verlaufen sollte.

Warum „Andor“ die die wichtigen Fragen im Star-Wars-Universum stellt
Es hat wirklich sehr lange gedauert, dass eine neue Serie ein ähnliches Gefühl bei mir auslöst, wie es „The Wire“ getan hat. Und dass es ausgerechnet Tony Gilroy mit einer Disney+-Serie namens „Andor“ gelungen ist, hätte ich mir vor dem Start der 1. Staffel nicht einmal in meinen kühnsten Träumen erwartet. Doch „Andor“ ist eben nicht nur eine Serie über die Rebellion gegen das Imperium, sondern auch ein kleiner, rebellischer Coup gegen den „Star Wars“-Kanon: Bis auf wenige Ausnahmen sucht man bekannte „Star Wars“-Gesichter komplett vergeblich. Von einem „The Mandolorian“ oder der „Obi-Wan Kenobi“-Serie ist „Andor“ weit entfernt. Stattdessen baut das Serien-Prequel zu „Rogue One“ zwar auf starke Figuren, aber vor allem auf die Komplexität und Schwierigkeit einer Rebellion in einem totalitär-faschistischen System.
Was bedeutet es, gegen einen Gegner zu kämpfen, der übermächtig, technologisch überlegen und allgegenwärtig erscheint? Was macht das mit einem, wenn das Imperium jeden Widerstand mit aller Macht im Keim zu ersticken versucht? Und was bedeutet eine solche Gesellschaft nicht für die Obi-Wan Kenobis oder Luke Skywalkers, sondern für die „Normalos“ im Sternensystem, die tagtäglich mit Repressalien und Angstmache konfrontiert werden?
„Andor“, Staffel 2, scheut sich nicht, genau diese Fragen zu beantworten – und verpackt sie in eine mitreißende Serie, die zum Besten gehört, was wir im „Star Wars“-Universum seit der Original-Trilogie zu sehen bekommen haben.

Im Drei-Folgen-Takt durch die Galaxie…
Ursprünglich hatte Showrunner Tony Gilroy geplant, dass jede Staffel von „Andor“ ein Jahr im Leben von Cassian Andor (Diego Luna) & Co. abbildet. Als klar wurde, dass Disney da nicht mitspielen würde, entschieden sich Gilroy und seine Co-Autoren Beau Willimon, Dan Gilroy und Tom Bissell für ein radikales Experiment: Erneut ist Staffel 2 in Drei-Folgen-Häppchen aufgeteilt, die jeweils ein Jahr in „Sternenzeit“ abbilden.
Wird jetzt etwa inhaltlich durch die Galaxie gerauscht? Nein, ganz im Gegenteil! Stattdessen konzentrieren sich die Macher auf schicksalhafte Momente im Leben der Rebell:innen und ihrer Gegenspieler:innen – und lassen gezielt Lücken, was die Ereignisse dazwischen betrifft.
Das funktioniert überraschend gut, auch wenn die ersten drei Folgen etwas Anlaufzeit benötigen. Schuld daran ist auch die Geschichte rund um Cassian Andor, der nach einem furiosen Beginn auf einem Planeten strandet und dort auf zwei verfeindete Lager trifft – eine Konstellation, die an „Apocalypse Now“ im Weltraum erinnert. Doch auch wenn der Einstieg zäh wirkt, wird bereits früh die große Vision von Gilroy & Co. deutlich: Die vielen parallelen Handlungsstränge zeichnen ein vielschichtiges Bild, das in einem dramatischen Handlungsbogen rund um den Planeten Ghorman kulminiert – clever erzählt und hochpolitisch.

Starke Figuren, die manchmal zu kurz kommen
Auf der einen Seite liefert „Andor“ visuell spektakuläres Storytelling mit vielen liebevollen Details, an denen man sich kaum sattsehen kann. Besonders glänzen erneut viele Nebenfiguren – außerhalb von Diego Lunas Cassian Andor.
Luthen Rael (Stellan Skarsgård) ist als Strippenzieher das Bindeglied zwischen Rebellen und Imperium. Bei den Fieslingen stechen Dedra Meero (Denise Gough), Syril Karn (Kyle Soller) und „Neuzugang“ Ben Mendelsohn als Orson Krennic hervor – bekannt aus „Rogue One“.
Auch Adria Arjona als Bix, Genevieve O’Reilly als Mon Mothma und Faye Marsay als Vel Sartha bekommen Raum zur Entfaltung. Dennoch ist spürbar, dass Gilroy seine ursprüngliche Vision anpassen musste: Manche Handlungsstränge rauschen zu schnell durch, und nicht jede Figur erhält die Tiefe, die sie verdient hätte.
Doch das ist einer der wenigen Kritikpunkte an dieser zweiten Staffel. Was Gilroy und sein Team hier geschaffen haben, ist nicht weniger als eine kleine TV-Sensation – insbesondere im Hinblick auf den erwachsenen, politischen und komplexen Ton, der vor ein paar Jahren auf Disney+ noch undenkbar gewesen wäre.