kulturMONTAG Zum 100. Geburtstag v. Ernst Jandl am 1.8.2025

Ernst Jandl war nicht nur einer der mutigsten sowie radikalsten Schriftsteller und Lautdichter Österreichs, er war auch ein begnadeter Performer. Mit subversivem Humor, literarischer Präzision und dem Wechsel zwischen Dialekt und Hochsprache lotete er linguistische Grenzen aus, um sie gleichzeitig neu zu formen. Der Film "Ernst Jandl – Der Sprachformer" von Heidi Neuburger-Dumancic zeichnet das vielschichtige Porträt eines Sprachkünstlers, dessen Werk bis heute überrascht, provoziert und inspiriert. Geprägt von Kindheit und Jugend in den 1930er Jahren sowie der Erfahrung von Nationalsozialismus und Kriegsgefangenschaft, wurde Ernst Jandl zur unermüdlichen Stimme gegen Krieg, Enge und sprachliche Konventionen. Seine Texte stehen für eine radikale Form der Freiheit: ernst in der Haltung, verspielt im Klang und offen für Experimentelles. Nicht nur auf dem Papier, sondern auch auf der Bühne. Seine Auftritte, oft mit Metronom einstudiert, waren präzise inszenierte Klangkunst. Musik, besonders Jazz, war seine große Leidenschaft. Die US-amerikanische Jazzsängerin Lauren Newton, langjährige Bühnenpartnerin Jandls, erinnert sich an gemeinsame Auftritte und sein feines Gespür für Musik. Auch das Dialekt-Duo Attwenger, von Jandl als Inspirationsquelle genannt, kommt im Film zu Wort. Bevor er sich ganz dem Schreiben widmete, unterrichtete Ernst Jandl an einem Wiener Gymnasium Deutsch und Englisch. Später hat er die Begeisterungsfähigkeit von Kindern für Sprache und den kreativen Umgang mit dieser auch immer wieder betont. Angeregt durch Jandls Texte entdeckte auch Autor Michael Stavarić bereits als Jugendlicher seine eigene Ausdrucksform. Heute schreibt er Lyrik, Romane sowie Kinderbücher und ist Gastdozent an der Uni Wien. Und auch die Lyrikerin Lydia Haider bringt in der Reihe "Toter Salon" eigene, von Jandl beeinflusste Texte auf die Bühne. Wie aktuell Ernst Jandls Sprache bleibt, zeigen Projekte zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler. Jörg Piringers digitale Performance, bei der er mithilfe selbst entwickelter Algorithmen Jandl-Texte interpretiert, ist ein Zeichen dafür, dass die Sprache des Dichters auch im digitalen Zeitalter Raum findet. Ein aktuelles Jugendprojekt ruft junge Menschen dazu auf, dessen Texte oder auch eigene Gedichte im Jandl-Stil als Instagram-Reels neu zu interpretieren. Ernst Jandls Weg zur Anerkennung war dennoch alles andere als einfach. Seine frühen Texte stießen auf Unverständnis, seine Auftritte wurden belächelt oder abgelehnt. Unbeirrbar verfolgte der Wiener jedoch seinen Weg: Einen frühen Höhepunkt markierte sein legendärer Auftritt 1965 bei der International Poetry Incarnation in der Londoner Royal Albert Hall, wo er neben Beat-Ikonen wie Allen Ginsberg auftrat. Die verdienten Würdigungen – darunter das Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich – kamen spät. Hundert Jahre nach seiner Geburt lebt Ernst Jandls Sprache weiter. Gerade Junge entdecken den Autor vielfach neu für sich. Menschen auf der Straße lesen im Film seine Texte und bringen damit zum Ausdruck, was er immer war: ein Dichter für alle.