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M.O.M. – Ist das noch Menschenrecht oder kann das weg? I Kritik zur Joyn-Show

M.O.M, das ist die Dating-Show auf Joyn, die den liebevollen Titel "Milf or Missy" trägt und allein durch Werbeplakate für Furore sorgt. Was steckt hinter dem augenscheinlich Frauen-missachtenden Konzept?

Joyn/Benedikt Müller

Vor sechs Wochen startete der ProSieben-Streaming-Dienst Joyn seine erste eigen produzierte Dating-Show (hier könnt ihr euch die 1. Staffel ansehen). Im Reality-TV-Dschungel brauchte es eine neue Idee, um paarungswillige Singles zu verkuppeln. Das Konzept der Show ist leicht erklärt: Zwei Junggesellen, quasi der Bachelor im Doppelpack, suchen sich je eine aus 14 Frauen aus. Knackpunkt dieser Show sind die unterschiedlichen Altersklassen der Männer und der Kandidatinnen. Da gibt es zum einen den 57-jährigen Senior Felix und den 28-jährigen Junior Marko, die neben Alter und Haarlänge auch der Kontostand unterscheidet. Senior Felix prahlt gerne mit all‘ dem Luxus, den er sich als erfolgreicher Architekt leisten kann – bestes Beispiel war bereits beim Kennenlernen der Teilnehmerinnen eine Weinflasche für 1.500 Euro. Junior Marko kommt etwas bescheidener daher: Braungebrannt mit langer Mähne legt der Personal Trainer mehr Wert auf Spaß am Leben.

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Diese 14 Frauen fielen in die Klischee-Kiste

Die Teilnehmerinnen werden in "MILFs" und "Missys" eingeteilt. Doch es wird schnell klar, dass dem Sender bei der Auswahl der Teilnehmerinnen wohl grobe Fehler unterlaufen sein müssen. Denn einige der "MILFs" (Mother I’d like to fuck) haben gar keine Kinder. Auf der anderen Seite gibt es „Missys“ (Fräuleinchens), die schon Mütter sind. So genau hat es Joyn nicht genommen, schließlich wollen sie nur die unterschiedlichen Altersspannen voneinander abgrenzen.

Die beiden jüngsten Frauen sind Zahnarzthelferin Maria und Model Mona, beide 24. Stewardess Despina und Informatik-Studentin Tam sind 26. Model Amy, Tanzlehrerin Lena und Kosmetikerin Michelle, alle 27, vervollständigen die Gruppe.

Die Alterspanne der anderen sieben Kandidatinnen reicht von 37 bis 46 Jahren. Dazu gehören Flugbegleiterin Natascha (44), Friseurmeisterin Elke (40), Verwaltungsangestellte Sabine (41), Personaltrainerin Franzi (38), Künstlerin Gabriela (46), Flugbegleiterin Mariam (37) und Schauspielerin Anna (40).

Nicht nur wegen ihres Alters könnten die Frauen unterschiedlicher kaum sein. Alle gemein haben sie jedoch, dass ihnen das Alter ihres Partners herzlich egal ist. Genau darum soll es bei M.O.M. ja auch gehen: Welche Rolle spielt das Alter in der Liebe?

 

Darum katapultiert M.O.M. die Emanzipation um Jahrzehnte zurück

Das Positive vorab: Joyn hat es definitiv geschafft, ein Dating-Show-Format zu entwickeln, das sich von anderen abhebt. Dank M.O.M. dürfen auch Frauen jenseits der 30 in einer Dating-Show im Fernsehen teilnehmen, was in anderen Formaten leider nicht vorstellbar ist. Die Kandidatinnen sagen selbst, dass es angenehm sei, zu zeigen, dass man auch mit 40 noch ein Dating-Leben haben kann.

Die Idee des Experiments war gut, an der Umsetzung haperte es leider. Das fängt bereits beim Namen der Show an. Frauen schon im Titel zu sexualisieren (MILF), bzw. zu verniedlichen (Missy) zerstört all‘ das, wofür Frauen seit Jahrzehnten hart kämpfen: Endlich nicht mehr als Objekt angesehen werden, sondern auf gleicher Stufe mit dem männlichen Geschlecht akzeptiert zu werden. Selbstverständlich werden die Männer als Junior und Senior bezeichnet. Es wäre ja auch unerhört, einen seriösen Architekten als "DILF" zu bezeichnen. Versteht man die Ironie?

Getrumpft wird das Ganze durch die beiden Männer. Während Junior Marko auf Frauenjagd geht und Trophäen in Form von Knutschereien sammelt, übt sich Felix in der alten Schule. Wer bis zur Show noch nicht wusste, was "Mansplaining" bedeutet, der darf Felix' Erklärungen den Teilnehmerinnen gegenüber als Paradebeispiel nehmen. Der 56-Jährige geht, besonders bei der jüngeren Gruppe, stark davon aus, die Frauen seien nicht in der Lage, selbst zu denken. Immerhin haben einige der älteren Damen den Senior durchschaut und ihm sogar Tipps im Umgang mit der modernen Frau auf den Weg gegeben. So wie Mariam, die ihm ungeniert ins Gesicht sagte: „Hör bitte auf mit deinen Prahlereien, das kommt nicht gut an.“

Nein, die ganze Show kommt nicht gut an. Immerhin bestätigte Joyn inzwischen, zumindest die sexistische Werbe-Kampagne zu beenden. 111 Beschwerden sind deswegen im Werberat eingegangen. 

Sarah Klas