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"Purple Hearts": Berechtigte Kritik an der Rom-Com

Die neue Rom-Com "Purple Hearts" startete erst am 29. Juli auf dem Streaminganbieter Netflix und schon jetzt spaltet er im Netz die Geister. Und das zu recht! Auch wenn dieser Liebesfilm vieles richtig macht, ist er mitunter misogyn, rassistisch und verherrlicht das US-Militär… Dazu äußerten sich nun auch Regisseurin sowie Hauptdarstellerin. Vorsicht: Spoiler Alert!

Netflix

Über 102 Stunden Watchtime in den ersten zwei Wochen, Platz eins der Netflix-Charts in 93 Ländern und tausende Kommentare in den sozialen Netzwerken. Der Netflix-Liebesstreifen "Purple Hearts" konnte seit seiner Ausstrahlung eine beachtliche Menge an Erfolgen einfahren. Doch je größer die Reichweite, desto lauter wird auch die Kritik an dem Film.

 

"Purple Hearts": Darum geht es 

Musikerin Cassie (Sofia Carson) kämpft mit den hohen Kosten ihrer Diabetes-Erkrankung und der ehemals drogensüchtige Soldat Luke (Nicholas Galitzine) muss Geld für seine Schulden auftreiben. Das ungleiche Paar geht eine Scheinehe ein, um den Bonus des US-Militär abzugreifen – obwohl sich die beiden zunächst nicht ausstehen können. Als Luke im Irak-Krieg verwundet wird und seine Frau ihn pflegen muss, lernen sich die beiden kennen und lieben.

 

"Purple Hearts": Der Film thematisiert wichtige Themen

"Purple Hearts" macht einiges richtig, denn während die üblichen Rom-Coms nicht sehr tief schürfen und nahezu mittelalterlich-stereotypisierte Romantik aufrecht erhalten, wagt sich "Purple Hearts" an neues Terrain. Mehr Handlung, mehr Konflikt, mehr Gesellschaftspolitik. Beide Hauptfiguren vertreten unterschiedliche politische Ansichten und deuten wichtige Problematiken der US-Politik an. Latina Cassie ist die Tochter einer illegalen Einwanderin. Ohne Krankenversicherung fühlt sie sich vom System im Stich gelassen und steht im Film für das blaue Herz, sinnbildlich für die liberale Einstellung der Demokraten. Ihr gegenüber Soldat Luke, der seinem "Vaterland" dienen will und die Ehe als unwiderruflich ansieht. In ihm schlägt ein rotes Herz, das eines Republikaners. Zusammen verschmelzen sie zu lila Herzen, den "Purple Hearts". Ein Purple Heart, wie auch Luke es im Film erhält, ist dabei zudem eine militärische Auszeichnung für im Krieg durch feindliche Aktionen verwundete Soldat*innen.

Damit kommen, die für eine Rom-Com bisher eher untypischen Themen, wie zum Beispiel die privatisierte Krankenversicherung, die US-amerikanische Einwanderungspolitik, Patriotismus, Waffengesetze, Feminismus und der Irak-Krieg zur Sprache. Cassies wichtige Standpunkte ersticken dabei meist allerdings unter dem Handlungsstrang ihrer Gesangskarriere oder werden unter dem aufrechzuerhaltenden Deckmantel der Scheinehe wenig bis gar nicht ausdiskutiert. Letztlich verfolgt "Purple Hearts" natürlich das Storytelling einer Liebesgeschichte und kratzt damit unzureichend an der Oberfläche. Trotzdem, immerhin: der Versuch war da.

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"Purple Hearts": Betreibt der Film Militär-Propaganda?

Dass der Film die Problematiken der US-amerikanischen Politik thematisiert ist gut. Doch dabei bleibt leider einiges auf der Strecke, denn insbesondere der Militäreinsatz im Irak wird einseitig, mitunter falsch und zudem romantisiert dargestellt. Im Netz ist sogar von militärischer Propaganda die Rede. Schließlich heißt es im Film, dass die US-Marines lediglich in den Irak-Krieg ziehen, um ihr eigenes Land vor Terrorismus zu schützen. Diese Behauptung wird in keinerweise angezweifelt, obwohl die Geschichte deutlich machte, dass der amerikanische Einmarsch im Irak mithilfe von haltlosen Beweisen gerechtfertigt wurde. Also ja, durch die einseitige Darstellung des Irak-Krieges und insgesamt der patriotistischen Darstellung der US-Marines wird das Militär verharmlost.

 

"Purple Hearts": Ist der Film rassistisch?

Lukes Soldaten-Kumpel erhebt sein Glas mit den Worten: „Auf die Araber, die wir da unten jagen werden, Baby!" Mit dieser Aussage bezieht er sich auf ihren bevorstehenden Einsatz im Irak. Als Cassie daraufhin verständlicherweise zur Diskussion ansetzt, fordert Luke sie auf, wieder Platz zu nehmen. Damit wehrt sich Luke nicht nur nicht gehen die offen rassistischen Äußerungen seines Freundes, sondern legt auch ein misogynes, also frauenfeindliches Verhalten an den Tag. Insgesamt äußern sich Lukes Soldaten-Kollegen von Beginn des Filmes an wiederholt sexistisch und rassistisch.

 

"Purple Hearts": Ist der Film frauenfeindlich?

In der oben beschriebenen Szene drängt Luke seine Frau Cassie sich wieder hinzusetzen, obwohl sie ihren Standpunkt klar machen will. Damit verhält sich Luke an dieser Stelle offenkundig misogyn. Dabei ist er eigentlich ein korrekter Typ, fragt Cassie vor dem Sex "Willst du das?" und stellt bei aufdringlichen Nachwuchsfragen der Verwandten klar: „Lass sie erstmal ein Rockstar werden, okay? Danach die Kinder“ Interessanterweise geschieht Lukes misogyne Zurechtweisung nur in Gesellschaft anderer, männlicher Marines, was besonders hinterfragt werden sollte. 

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"Purple Hearts": Die Regisseurin und die Hauptdarstellerin äußern sich zu den Vorwürfen

Hauptdarstellerin Sofia Carson, die auch für den Soundtrack des Filmes verantwortlich war, hat nun betont, dass beide Seiten so akkurat wie möglich darfgestellt werden sollten. "Es geht um zwei Herzen, ein rotes und ein blaues, die Welten voneinander entfernt sind und denen beigebracht wurde, einander zu hassen. Durch die Macht der Liebe lernen sie Mitgefühl und Verständnis für einander. Sie lieben sich und verwandeln es in ein wunderschönes Lila", so Carson unter anderem.

Auch Regisseurin Elizabeth Allen Rosenbaum verteidigt ihre Arbeit: "Ich hoffe, dass die Leute verstehen, dass die Figuren anfangs Fehler haben müssen, um zu wachsen." Beide seien Opfer eines kaputten Systems, denn die USA habe viele Schwächen, was das wichtigste Motiv des Films gewesen sei. "Sie müssen extrem sein, damit die roten und blauen Herzen sich zu lila wandeln können. Und einige der Leute um sie herum haben noch mehr Schwächen als sie.", so Rosebaums Stellungnahme und fügt hinzu: "Ich hoffe, dass jeder, der in irgendeiner Weise dadurch beleidigt wird, versteht, dass unsere Absichten sehr rein sind, und das liegt daran, dass wir das Gefühl haben, dass die Menschen wachsen und moderater werden müssen.“

Bei den User*innen stoß die Erklärung jedoch nicht überall auf Verständnis: "Wir wissen alle, wie Erzählstränge funktionieren, aber nach dem Vorfall gibt es bei ihm keinerlei Entwicklung. Erfinde nicht irgendwelche Dinge, um den Rassismus im Film zu verteidigen. Wenn überhaupt, dann verabschiedet sie ihre Moralvorstellungen, weil sie ihn so sehr liebt", lautet etwa ein Kommentar.

 

"Purple Hearts": Das Fazit zum Film

"Purple Hearts" kommt als nette Rom-Com mit neuem Blickwinkel daher. Doch so viel Freude man beim Schauen auch hat: Der Film sollte durch eine kritische Linse gesehen werden, denn er ist eben nicht nur eine banale Lovestory. "Purple Hearts" sollte daran erinnern, dass Kriegs-Narrative niemals immun gegen Kritik sein sollten, Rassismus aufgedeckt und verurteilt gehört und das Sexismus in all seinen Facetten stets offen gelegt werden muss.

Von Maris Schaper

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