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"Deathloop" im Test: Der beste Shooter 2021!

Arkane Studios lassen die düstere Fantasy von "Dishonored" hinter sich und machen sich auf in die beschwingten alternativen Sixties. "Deathloop" ist ein stylisher Shooter für PS5 und PC mit coolen Sprüchen, dicken Wummen, Magie und schlauem Zeitschleifen-Twist. Unser Test klärt, ob das Geballer hält, was der große Name verspricht.

Bethesda Softworks/PR

Im "Immersive Sim"-Genre kennen sich die Arkane Studios aus: Kaum jemand beherrscht es so gut, maximale spielerische Freiheit mit ausgefeiltem Leveldesign und spektakulären Schauwerten zu verbinden, wie die auf Lyon und Austin verteilten Entwickler*innen von "Dishonored" und "Prey". "Deathloop" ist der jüngste Streich des französischen Ablegers und setzt auf ein aufsehenerregendes Konzept: Im Zentrum des Ego-Shooters steht eine Zeitschleife, in der derselbe Tag immer wieder von vorn beginnt und der Tod nie das Ende ist - "Und täglich grüßt das Murmeltier" mit mehr Wumms quasi. Und wie im Filmklassiker mit Bill Murray findet auch die Hauptfigur von "Deathloop" das mit dem Zeitloop gar nicht mal so gut.

 

Darum geht's in Deathloop

Unser Protagonist hört auf den Namen Colt Vahn – ein Militärpilot, sprücheklopfender Draufgänger und Trunkenbold, der in einer retrofuturistischen Alternativ-Version der 1960er-Jahre am Strand der Insel Blackreef mit einem Mordskater erwacht. So wie jeden Morgen, oder eher: So wie jeden Tag, an immer dem gleichen Morgen. Seit einem Ereignis namens "Die Anomalie" läuft die Zeit auf Blackreef in seltsamen Bahnen und die acht sogenannten Visionäre – Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und reiche Partylöwen – nutzten die Anomalie, um eine Zeitschleife und eine ewige hedonistische Partyinsel zu erschaffen, in der nichts mehr irgendeine längerfristige Konsequenz hat.

Da hängt Colt jetzt drin und will raus. Warum und seit wann, das klärt sich im Laufe des Spiels. Das "Wie" ist dagegen schnell klar: Colt muss alle acht Visionäre umlegen, bevor der Tag rum ist, der Loop zurückgesetzt wird, alles so ist, als sei nie was gewesen, und Colt mit seinem Mordskater wieder am Strand erwacht. Blöd nur, dass die Insel groß und die Visionäre gut bewacht sind. Und dann gibt es da auch noch Julianna – eine Visionärin, die Jagd auf Colt macht, seinen Plan mit allen Mitteln vereiteln will und ihm immer einen Schritt voraus zu sein scheint.

Klingt kompliziert? Ist es auch – ein bisschen: In den ersten Spielstunden hat "Deathloop" einiges zu erklären was Story, Setting, Struktur, Menüführung und Missionsbriefings angeht. Im Grunde läuft es aber immer so: Ich bereite Colt in seinem Bunker vor, wähle aus freigespielten Waffen und Fähigkeiten und überlege mir, in welchen der vier Bezirke von Blackreef ich aufbrechen will. Nach dem Absolvieren einiger Einführungsmissionen stecke ich mir meine Ziele dabei weitgehend selber: Ich erkunde die Bezirke, sammle Hinweise und lerne möglichst viel über den Ablauf des einen Tages, der sich auf Blackreef ständig wiederholt. Stück für Stück setze ich so den Plan zusammen, der es Colt am Ende ermöglichen soll, alle Visionäre innerhalb von 24 Stunden zu erledigen.

Das hört sich jetzt mehr nach Rätsel-Adventure als nach Ego-Shooter an? Tatsächlich ist "Deathloop" beides – und genau das macht es so gut.

 

Gameplay: So spielt sich Deathloop

Wenn Colt aus seinem Bunker tritt und sich daran macht, einen Distrikt zu erkunden, wird "Dishonored"-Kenner*innen gleich warm ums Herz. Die weiten Areale von Arkanes Whalepunk-Städtchen, gespickt mit Dutzenden Geheimnissen und alternativen Routen, gibt es auch in "Deathloop". Überhaupt fühlt sich das Spiel gerade anfangs sehr nach den düsteren Stealth-Games an, wenn ich mit Colt über Dächer klettere, schleiche und Feinde hinterrücks überfalle. Davon gibt es viele, denn die Feiergemeinde von Blackreef ist über Colts Pläne im Bilde und will dem Party-Grinch auf jeden Fall einen Strich durch die Rechnung machen. Colt kann heimlich vorgehen, er weiß sich aber auch offensiv zu wehren, wenn er auf sich aufmerksam gemacht hat und hitzige Feuergefechte entbrennen.

Dann verlässt "Deathloop" bekanntes Arkane-Territorium und wird zum kompetenten Shooter mit einem vielfältigem Arsenal, das Colt seinen Gegnern abnimmt: Jede Waffe klingt anders mächtig, fühlt sich anders an, ist für einen anderen Zweck geeignet. Von Pistolen (die sich auch Akimbo, also beidhändig, verwenden lassen) über Schrotflinten und Gewehre bis hin zu "Fallout"-ähnlichen Konstruktionen wie dem Druckluft-Nagelwerfer ist alles dabei. Dazu kommen ein paar einzigartige, legendäre Spezialwaffen und magische Fähigkeiten wie Teleportation oder Telekinese, die Colt den Visionären abjagen kann. Außerdem verfügt er noch über Granaten, die auch als Minen nutzbar sind, und ein Hacker-Tool zum Umpolen und Fernsteuern von Sensoren oder – besonders spaßig – Geschütztürmen.

"Deathloop" ist dabei kein Hyper-Präzisions-Shooter, hier gibt's grobschlächtige Wummen statt chirurgischer Tötungsinstrumente: Die Fadenkreuze sind breit, die Waffen streuen und zicken, ab und zu treten sogar Ladehemmungen auf, die Colt erst laut fluchend beheben muss. All das fügt ein Element von Unsicherheit hinzu, über das ich hinweg improvisieren muss – notfalls, indem ich mit der Machete in den Nahkampf renne.

... oder tödliche Magie sprechen lasse. Foto: Bethesda Softworks/PR

Begrenzte Speichermöglichkeiten fordern Improvisation

Dass das Spiel auf eine aktive Speicherfunktion und die Möglichkeit zum "Save-Spamming" verzichtet, unterstützt diesen Zwang zum Experiment. In "Dishonored" ist die Tastenkombi für Schnellspeichern und -laden tief im Muskelgedächtnis. Geht ein Plan schief? Egal, Situation neu laden, nochmal probieren. In "Deathloop" geht das nicht: Zwar hat Colt ein paar Extraleben, bevor er "richtig" tot ist und der Loop von vorn beginnt. Darüber hinaus muss ich mit meinen Fehlern leben, bin aber auch viel mehr im Spiel und weniger in Ladebildschirmen – gute Entscheidung!

Breche ich eine Mission mal ab, muss ich sie allerdings auch von vorn beginnen. Das ist aber nur oberflächlich ein Problem: Mit jedem Ausflug in einen Distrikt lerne ich ihn und seine Schleichwege besser kennen - und komme beim nächsten Mal garantiert schneller an die Stelle, zu der ich mich eben noch durchkämpfen musste. Fast jeder Ort ist über mehrere Wege erreichbar, ich habe ständig die Wahl, ob ich heimlich oder offensiv vorgehen will. Arkane sind so gut in dieser Paradedisziplin von Immersive Sims, dass überhaupt nicht klar wird, was eigentlich "der richtige Weg" durch ein Gebiet sein soll. Es gibt schlicht keinen – alle Routen haben ihre Vor- und Nachteile.

Wie die Zeit vergeht: So sorgt Deathloop für Variation und Spannung

In den unterschiedlich gestalteten Distrikten besuche ich unter anderem verwinkelte Straßenzüge und Gassen, ein Sci-Fi-Geisterhaus, Forschungseinrichtungen und dekadente Partys in stylischen Edel-Clubs. Alle Visionäre haben zu ihnen passende, ausgefallene Locations, die tolle Spielplätze und zusätzlich gute Charakterisierungen ihrer exzentrischen Besitzer*innen abgeben. Jedes Gebiet kann Colt zudem zu vier Tageszeiten (Morgen, Mittag, Nachmittag, Abend) bereisen, die ich vor jedem Missions-Start frei anwählen kann. Nach und nach finde ich heraus, zu welchen Zeiten sich welche Visionäre wo aufhalten und kann dann Pläne schmieden, wie ich möglichst viele von ihnen zusammen loswerden kann. Die gleichen Gebiete unterscheiden sich zu jeder Tageszeit teils radikal: Manche zuvor offenen Wege sind versperrt, Wachen stehen an anderen Orten. Auch hier gilt: Herantasten, Erkunden, Erforschen – und ganz viel Ausprobieren.

Mit der Tageszeit wechselt auch die Umgebung in "Deathloop" – die Wettervorhersage hat Schnee angekündigt. Foto: Bethesda Softworks/PR

Gelegenheit dafür ist genug, denn in "Deathloop" geht's zwar viel um Zeit, aber sie vergeht nur im Menü. Starte ich etwa am Mittag in einen Distrikt, bleibt es für die Dauer des Einsatzes auch dabei. Nachmittag wird es erst, wenn ich nach geglücktem Einsatz zurück in Colts Bunker bin – es gibt zum Glück keine Uhr, die in Echtzeit tickt und zur Eile drängt. Ein bisschen taktisch denken muss ich aber immer, denn auch auf Blackreef folgt auf den Abend der Morgen, nur eben der desselben Tages. Colt liegt dann ebenso wieder am Strand und verliert den Großteil seiner Ausrüstung, wie nach einem vorzeitigen Ableben. Der Loop ist unerbittlich.

Ein Spiel wie ein Uhrwerk