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Filme

365 Dni: Wie sich Netflix & Co eure Vergewaltigungsfantasien zunutze machten | Filmkritik

Klar, auch „Fifty Shades of Grey” hätte kein Filmkritiker jemals als guten Film bezeichnet, doch worin genau liegt nun der Reiz von „365 Days" dem wohl schlechtesten Film des Jahres?!

Verherrlicht "365 Days"/"365 Dni" Vergewaltigung und das Stockholmsyndrom?
"365 Days"zeichnet ein haarsträubendes Frauen- und auch Männerbild - und ist derzeit dennoch erfolgreicher als jeder andere Netflix-Film. Woran liegt das? Foto: Netflix
Inhalt
  1. "365 Days": Toxische Männlichkeit olé!
  2. "365 Days" füllt die Lücke, die die verschwundenen Softpornos auf Vox hinterlassen haben
  3. Wie eine Studie belegt, hatten 62 Prozent aller Frauen bereits Vergewaltigungsfantasien

"365 Days" alias "365 Dni“ ist der neuste Kassenschlager der Streaming-Plattform Netflix. Seit mehreren Wochen hält sich der Erotik-Streifen nun bereits in der Top 10 der beliebtesten Inhalte und wird auch deshalb von immer mehr Menschen geschaut. Dass der Geschmack der breiten Masse kein verlässlicher Gradmesser für Qualität ist, haben in der Vergangenheit auch schon andere Beispiele bewiesen, doch bedenkt man, wie schlecht „365 Days“ wirklich ist, muss man sich angesichts seines Erfolgs doch schwer wundern.

Abgesehen von einem Soundtrack, der direkt aus den Teenie-Charts zu stammen scheint, Dialogen, bei denen sich die Nackenhaare aufstellen und einer äußerst gewöhnungsbedürftigen Kameraführung und Schnitttechnik, lassen allein Thema und Handlung des Films erahnen, dass sich hinter dem wenig kreativen Titel kein cinematografisches Meisterwerk verbirgt.

Massimo (Michele Morrone), der Sohn des Kopfes der sizilianischen Mafia-Familie, hat während einer Nahtoderfahrung eine Vision. Er sieht Laura (Anna Maria Sieklucka) vor seinem geistigen Auge und verschreibt sich fortan der Suche nach der jungen Frau. Als er sie endlich aufspürt, lässt er sie entführen und gibt ihr 365 Tage Zeit, sich in ihn zu verlieben. So weit, so unsinnig!

 

"365 Days": Toxische Männlichkeit olé!

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Statt ob ihrer ausweglosen und beängstigenden Situation in Panik zu geraten, wirkt Laura jedoch überraschend entspannt und scheint von Massimos strotzender Männlichkeit und seiner fortwährenden Belästigung regelrecht angetan (beziehungsweise angetörnt) zu sein. Hierin liegt auch das Hauptproblem des Films, denn er zeichnet ein haarsträubendes Frauen- und auch Männerbild. Selten haben wir eine derartige Verherrlichung toxischer Männlichkeit erlebt. Als rechtfertigten Einfluss und Wohlstand übergriffiges Verhalten, kommt es seitens des Protagonisten bereits nach wenigen Filmminuten zur ersten forcierten sexuellen Handlung. Wütend über einen gestohlenen Container voller Kokain, begibt sich der Mafioso in den hinten Teil des Flugzeuges und nötigt dort schier beiläufig eine Flugbegleiterin zum Oralsex – die dabei zwar weint, sich im Anschluss jedoch beseelt lächelnd zurückzieht. Aha!

Auch gegenüber Laura verhält sich Massimo wie ein Raubtier, soll paradoxerweise aber wohl als eine Art Sex-Gott mit Traummann-Status inszeniert werden – was bei ihr tatsächlich auch funktioniert. Während er in einer Sekunde betont, er werde nichts ohne ihr Einverständnis tun, begrabscht er in der nächsten ihre Brust, steckt seine Hand in ihre Hose oder fesselt sie ans Bett. Mit den Worten „Jetzt zeige ich dir, was du verpasst“ zwingt er sie, dabei zuzusehen, wie er sich von einer Prostituierten einen Blowjob geben lässt. Diese fährt sich im Anschluss mit Daumen und Zeigefinger genüsslich über den Mundwinkel – eine Geste, die sich im Verlauf des Films jedes Mal wiederholt, wenn eine Frau aktiv Oralsex praktiziert. Wir hätten an dieser Stelle einige Fragen an Barbara Bialowas und Tomasz Mandes, die Hauptverantwortlichen des Drehbuchs, aber das muss warten.

365 Days - 365 Dni
Bild: Netflix

Laura, die zu Beginn des Films als selbstbewusste, erfolgreiche Geschäftsfrau vorgestellt wird, gibt sich anfangs noch etwas widerspenstig und kratzbürstig - man, man, man, nun hab dich nicht so! Nachdem sie jedoch in einer völlig schwachsinnigen Szene über Bord der Luxusyacht ihres Entführers geht und plötzlich das Schwimmen verlernt zu haben scheint, woraufhin Massimo keine Sekunde zögert und ihr nach hechtet – wie männlich, mutig und stark er doch ist! – ist es endgültig um sie geschehen. Da sie sich ohnehin von Minute Eins nichts sehnlicher gewünscht hat, als von ihm genommen und dominiert zu werden, kommt es zu einer Art Sex-Marathon, bei der sich Massimo und Laura nach allen Regeln der Kunst begatten. Das zuvor noch bemannte Boot ist nun völlig menschenleer und bietet den perfekten Ort für ungestörte Orgien. Schwups, sind Laura und ihr Entführer ein Paar – es könnte romantischer kaum sein! Vergessen sind die Entführung und die zahlreichen sexuellen Übergriffe! Wunderbar!

 

"365 Days" füllt die Lücke, die die verschwundenen Softpornos auf Vox hinterlassen haben

Und genau hierin liegt der einzige Reiz von „365 Days“. Lässt man den toxischen Kontext mal außer Acht (was zugegebenermaßen ziemlich schwerfällt), sind die Sexszenen nämlich nicht nur sehr glaubwürdig geschauspielert und inszeniert, sondern auch erotischer und expliziter, als alles andere, was aktuell auf Netflix und Co. zu finden ist. Die Phrase „Warum liegt hier eigentlich Stroh“, flattert durchs Gedächtnis, denn letztlich lässt sich der als Drama deklarierte Film viel besser als Softporno bezeichnen und tut dramaturgisch und inhaltlich das, was fast alle Pornos tun: nichts!

Wie es scheint, hat Netflix mit „365 Days“ also endlich begonnen, eine lukrative Marktlücke zu füllen, deren Besetzung seit Verschwinden der nächtlichen Erotikfilme auf Vox vor allem von all jenen schmerzlich ersehnt worden zu sein scheint, die den Klick auf diverse Pornoseiten aus Moralgründen scheuen. Frei nach dem Motto „Wenn es auf Netflix ist und von allen geschaut wird, kann es ja nicht so verwerflich sein“, wird der Algorithmus des größten Streamingdienstes also immer weiter mit „365 Days" befeuert.

Ein dringendes Bedürfnis nach Erotik in allen Ehren, doch wieso kommt der Film trotz der Nötigungs-Thematik so gut an, und wieso stört sich niemand an Lauras Stockholmsyndrom und der scheinbaren Verherrlichung von sexualisierter Gewalt?

 

Wie eine Studie belegt, hatten 62 Prozent aller Frauen bereits Vergewaltigungsfantasien

Die Antwort könnte tief in der menschlichen Psyche verankert sein, denn wie sich im Rahmen zahlreicher Studien herausgestellt hat, hegen unglaublich viele Frauen (und Männer) Vergewaltigungsfantasien. Das „Journal of Sex Research” beispielsweise spricht von einer Erhebung, die besagt, 62 Prozent der befragten Frauen hätten schon einmal Vergewaltigungsfantasien gehabt, 14 Prozent davon gaben an, diese Gedankenspiele habe binnen der letzten Woche stattgefunden. Auch eine kleine Tour durch die Tiefen des Internets scheint zu bestätigen, dass etwas, das eher wie ein Randphänomen klingt, in Wahrheit recht verbreitet ist.

Das könnte erklären, weshalb "365 Days" und seine Buchvorlage „365 Dni“ so erfolgreich sind, denn auch Filme und Romane entspringen der Fantasie, sind ihr Spiegel, regen diese an oder befriedigen sie.

Wichtig ist an dieser Stelle jedoch der Vermerk, dass diese Vergewaltigung-Szenarien im Geiste natürlich absolut nichts mit der Realität zu tun haben! Wer Übergriffe ersinnt, wünscht sich natürlich nicht, dass diese jemals wahr werden!

Verhaltens- und Sexualtherapeutin Nicole Kienzl erklärt das Phänomen in einem Interview mit „VICE“ vom Februar 2018 so: „[…]Eine solche Fantasie [gibt einem] die Möglichkeit, zwar in der Rolle des Opfers zu sein, aber dennoch die Kontrolle zu behalten“. Auch das wird im Netflix-Streifen „365 Days“ aufgegriffen. Laura wird zwar von Massimo entführt und ist ihm im Grunde hilflos ausgeliefert, spielt jedoch auch mit ihm und seiner Lust. So beginnt sie in einer Szene sogar, vor seinen Augen zu duschen oder schleckt an anderer Stelle lasziv an einem Eis - Dinge, die ein echtes Entführungsopfer wohl niemals tun würde. So werden die moralische Verkommenheit Massimos und die Ernsthaftigkeit der Situation ein Stück weit ausgehebelt, da Laura eben nicht bloß von ihrem Entführer zum Objekt degradiert wird, sondern zugleich auch als Strippenzieherin agiert.

„Viele gehen davon aus, dass eine Vergewaltigungsfantasie bedeutet, dass man tatsächlich vergewaltigt werden will. Das ist eine gefährliche Schlussfolgerung, weil das bedeuten würde, dass Vergewaltigung gerechtfertigt werden kann, solange Frauen über Vergewaltigung fantasieren“, wird Claudia Wille, Psychotherapeutin mit Schwerpunkt Sexual- und Paartherapie, im selben „Vice“-Artikel zitiert. Derartige Fantasien seien von vornherein darauf ausgelegt, den Kopf nicht zu verlassen und seien keinesfalls mit dem Wunsch zu verwechseln, diese jemals „erfüllt“ zu bekommen.

Auch Blanka Lipinska, die 34-jährige Autorin des Erotik-Thrillers, auf dem der Film, der derzeit auf Netflix Erfolge feiert, basiert, scheint sich mit der Materie bestens auszukennen und vielen Leser*innen aus der Seele gesprochen zu haben. Die Macher von „365 Days“ haben das – wie schon die „Fifty Shades of Grey“-Schöpfer vor ihnen – erkannt.

Bleibt also nur noch zu sagen: Genießen, ja, kritisch hinterfragen bitte auch, aber um Gottes willen niemals nachmachen!

* von Anna Peters

 


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