Kino

"Wunderschön": Nora Tschirner über Geschlechterzwänge und Ganzkörperspiegel | Interview

Mit fast zweijähriger Verspätung startet Caroline Herfurths Episodenfilm "Wunderschön" nun endlich in den deutschen Kinos. Wir konnten mit Darstellerin Nora Tschirner im Vorfeld über Geschlechterzwänge, Ganzkörperspiegel und ungewöhnliche Komplimente sprechen.

Nora Tschirner in Wunderschön
Nora Tschirner in "Wunderschön" Foto: 2021 Warner Bros. Entertainment

Selbstliebe, Geschlechterzwänge und Body-Positivity sind die großen Themen im neuen Kinofilm "Wunderschön". Nora Tschirner (40) ist darin als Feministin Vicky zu sehen, die in ihrem Job als Lehrerin bei ihren Schülerinnen hautnah den Kampf mit dem eigenen Körper sieht, um dem Schönheitswahn gerecht zu werden. Im Interview mit TV Movie Online erzählt die Schauspielerin, wie sie dem medialen Druck eines perfekten Körpers standhält, welche Komplimente für sie wirklich schön sind und warum sie jedem rät, mal ohne Spiegel im Haus zu leben.

TVMovie.de: Im Film tritt Vicky als selbstbewusste Feministin auf. Ihre Schülerinnen haben jedoch mit dem eigenen Körper zu kämpfen. Führen Sie diesen Kampf mit ihrem Körper auch manchmal?

Nora Tschirner: In meinem Körper habe ich mir so ein Denken tatsächlich jahrelang abtrainiert. Das gibt eine richtige Blockade, wenn es nur ums Äußerliche geht. Ich bin mit meinem Körper zufrieden, weil der total funktioniert. Ich habe zwei gesunde Arme, zwei gesunde Beine, ein mega funktionelles neuronales System, was mich sehr gute Antworten in Interviews geben lässt. Deswegen ja, ich finde mich gut gelungen, aber das hat am wenigsten mit meinen äußeren Merkmalen zu tun. Ich glaube dieses "es kommt von innen“ ist nicht nur eine Floskel. Wenn du nur eine Hülle bist, dann interessiert das nach einer Minute einfach keine Sau mehr.

Hatten Sie in der Schauspielbranche nie das Gefühl, sich optisch verändern oder verbessern zu müssen?

Nora Tschirner: In der Branche gab es sicherlich auch mal toxisches Denken bei mir, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass es extrem viel Raum eingenommen hätte. Ich habe wohl Glück gehabt, dass ich anders geprägt war. Das Werte-System, aus dem ich stamme, war deutlich anders – auch die Jungs und Mädels um mich herum, hätten es peinlich gefunden, wenn man da zu viel Wert drauf gelegt hätte. Das war vielleicht das Glück der damaligen Generation.

Hatten Sie als junges Mädchen keine Probleme mit Ihrem Körper?

Nora Tschirner: In der Pubertät gibt es ja so Phasen, wo man diese Wachstumsschübe hat und plötzlich nicht mehr weiß, wo man die Hände hinhängen soll. Dann läuft man rum wie so ein T-Rex. Es gab Tage, wo ich ständig darüber nachgedacht habe: Was macht man mit Armen? (lacht). Das ist ja so ein normales Pubertäts-Aufwach-Ding. Aber das war alles in einem Rahmen, der mich jetzt nicht vom Leben abgehalten hat.

In Filmen spielen Sie oft die beste Freundin, die Ratschläge gibt. Sieht das privat in Ihrem Umfeld auch so aus?

Nora Tschirner: Ich habe kein Interesse an Beziehungen, die nur so einseitig sind. Ich habe eigentlich nur Freundinnen in meinem engsten Umfeld, wo das in beide Richtungen läuft – wo ich mir Rat holen kann, sie sich Rat holen können und wir auf sehr hohem Niveau Ratgeber füreinander sind.

Nora Tschirner in Wunderschön
Nora Tschirner in "Wunderschön" Foto: 2021 Warner Bros. Entertainment

Welchen Rat geben Sie denn Ihrer besten Freundin, wenn sie sich mal unwohl in einem Kleid fühlt?

Nora Tschirner: Ich würde raten, erstmal zwei Wochen ohne Spiegel zu verbringen. Weil jeder Mensch, der sich lange vor einen Spiegel stellt, irgendwann das Gefühl haben wird, da gibt es Informationen oder Nachrichten für ihn zu holen, die aber in Wirklichkeit nichtssagend sind. Wenn jemand sich gerade so denkt, wie hübsch alle auf Instagram und in Frauenzeitschriften sind, würde ich einfach sagen: "Freunde, raus in die Welt!" Tut mit Leidenschaft Dinge, verbindet euch mit anderen und sucht euer Spiegelbild in den Augen der Leute, die euch mit liebevollen Blicken anschauen. Echtes Leben erleben hilft total gegen sowas.

Haben Sie schon mal zwei Wochen ohne Spiegel verbracht?

Nora Tschirner: Bei uns Zuhause existiert nur ein mobiler Ganzkörper-Spiegel, den man immer erstmal suchen muss, weil er ständig reist. Wenn man das zuhause weniger hat, guckt man auch weniger darauf. Man denkt immer, ein Spiegel liefert einem Informationen. Die Information, die man haben will, ist ja: Bin ich schön genug, sodass ich liebenswert bin? Das sehe ich aber nicht im Spiegel, das sehe ich wirklich nur im Auge des Betrachters. Wenn mich jemand anguckt und glühende Wangen kriegt, weil er Bock hat, mit mir Zeit zu verbringen. Das ist die einzige Information, die ich eigentlich will.

Was war das schönste Kompliment, das Sie jemals erhalten haben?

Nora Tschirner: Mir hat mal jemand ganz liebevoll gesagt, dass er mich für einen „gut sortierten Freak“ hält. Da fühlte ich mich sehr abgeholt in meinem Spektrum. Und, dass ich gleichzeitig sehr analytisch und sehr emotional sein kann. Gute Komplimente sind immer welche, in denen man sich wirklich erkannt fühlt. Wenn ich das Gefühl habe, jemand hat mich verstanden, das berührt mich am meisten.

Wird der Film das Denken über den Körper und den Schönheitswahn in der Gesellschaft verändern können?

Nora Tschirner: Ich glaube, dass der Film tatsächlich Potenzial hat, vielen Leuten was Gutes zu tun. Und darum hatte ich Lust, für die Rolle als "Vicky" Verantwortung zu übernehmen. Auch inhaltlich, weil solche Figuren selten erzählt worden sind. Wo entwickeln wir uns denn eigentlich hin, wenn wir anfangen, die Spiegel wegzuhängen? Und Vicky ist für mich jemand, die das zeigen kann. Es geht darum, dass diese Erfahrungen, die man erlebt hat und die  Begegnungen, die man hatte – dieser eigentliche Lebensinhalt – nicht überlagert werden vom Aussehen. Das gefiel mir, eine Figur zu bauen, die auch ein schöner Ausblick ist. Ich hatte das Gefühl, ich kann hier was beitragen.

Das Interview führte Laura Carstens.

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