"Pam & Tommy" bei Disney+: "Alle waren daran mitschuldig!"

Ein VHS-Promi-Sextape, das sich über eine ominöse Website verbreitet sozusagen zum ersten "viralen" Hit der Neuzeit wird: "Pam & Tommy" ist in jeder Hinsicht ein „Throwback“ in die 1990er Jahre, als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte und das Wort Privatsphäre noch etwas weniger heiß debattiert wurde als heutzutage. Tatsächlich steckt im Leak von Pamela Andersons & Tommy Lees gestohlenem Privatvideo in vielerlei Hinsicht richtig Zündstoff:

Zum einen wäre da die unglaubliche Geschichte des eigentlichen Diebstahls, durchgeführt von Rand Gauthier, einem ehemals frustrierten Tischler, der es vor allem Pamelas Mann Tommy Lee damit heimzahlen wollte. Zum anderen steckt im Stoff eine tragisch-komische Liebesgeschichte, die durch die Veröffentlichung des Sex-Tapes auf die Probe gestellt wird. Und letztendlich dreht sich die Serie um die unglaubliche mediale Ausschlachtung des Sextape-Skandals. Diese beförderte das Bildmaterial in fast schon popkulturelle Sphären befördert, dabei aber vergaß, dass seine Protagonistin durch die Veröffentlichung brutal ausgeschlachtet und diskriminiert wird.

Das Star-Cast rund um Lilly James als "Pamela Anderson", Sebastian Stan als "Tommy Lee Jones" und Seth Rogen als "Rand Gauthier" rundet „Orange is the New Black“-Hauptdarstellerin Taylor Schilling ab. Sie bernimmt in der Serie die Rolle von Rands Frau "Erica", die als erfolgreiche Pornodarstellerin tätig ist. Warum ausgerechnet diese Rolle den Zuschauer*innen einen Spiegel vorhält, und warum Taylor Schilling sich erschreckt, wenn sie an die kollektive Schuld der damaligen Gesellschaft denkt, lest ihr in unserem Interview!

TVMovie.de: Was hat dich an "Pam & Tommy" gereizt?

Taylor Schilling: Die Serie trifft einfach den richtigen Ton. Zum einen haben mich natürlich die dynamischen Figuren und das innovative Storytelling begeistert. Doch dann war da auch die Neugier bezüglich des Themas: Die Serie basiert ja auf einem wahren "Skandal", der eigentlich komplett falsch verstanden wurde. Auf mich persönlich hatte dieser Sextape-Skandal keinen nachhaltigen Eindruck, weil ich damals zu jung war. Dennoch war mir das Thema natürlich immer bewusst bzw. im Hinterkopf, vor allem, wenn es um Pamela Anderson ging. Und jetzt musste ich meine vage Vorstellung komplett über Bord werfen, wie es vermutlich vielen gehen wird. Das hat mich sehr gereizt.

TVMovie.de: Auch deine Figur "Erica" basiert auf einem echten Vorbild, auch wenn sie in der Sextape-Geschichte natürlich nur eine untergeordnete Rolle spielt. Was hast du über sie rausgefunden?

TS: Ihr wahrer Name ist Erica Boyer. Es gibt tatsächlich nicht allzu viele Informationen über sie, außer der Tatsache, dass sie in Dutzenden von Pornofilmen mitgewirkt hat. Sie hatte tatsächlich eine fast schon epische Pornofilm-Karriere in den 1980er und 1990er Jahren. Durch Aussagen von Kolleginnen aus der Zeit konnte ich mir ein gutes Bild von ihr machen. Und der Rest stand letztendlich im Skript.

Für mich ist Erica aber auch übergeordnet eine der Schlüsselfiguren in diesem Sextape-Skandal. Sie ist eine Pornodarstellerin. Sie ist erfolgreich und gut in ihrem Job. Alles, was passiert, basiert auf ihrem Einverständnis und sie genießt es. Und letztendlich kann sie von ihrer Position aus "Rand" und damit auch dem Publikum erklären, warum das, was Pam in der Serie und dementsprechend auch im wahren Leben passiert ist, alles andere als Pornographie ist. Erica ist das komplette Gegenteil von Pam und hält uns so auch einen Spiegel vor. Und lässt uns verstehen, wie Pam zum Opfer wurde.

 

"Vielleicht wird uns irgendwann bewusst, dass wir auch bei einem kollektiven Verbrechen mitgewirkt haben!"

TVMovie.de: Hast du das Gefühl, dass sich seit dem Sextape-Skandal bezüglich der Stigmatisierung von Frauen etwas getan hat, wenn heutzutage etwas Ähnliches passiert?

TS: Ich denke, die Diskussionen haben sich zwar verändert, aber nicht die Systeme, die dahinterstehen. Es gibt zwar deutlich mehr Bewusstsein für diese Themen, aber letztendlich immer noch Systeme, die sehr unterdrückend sind. Dass, was Pam passiert ist, ist damals aber definitiv auf einer sehr unbewussten Ebene abgelaufen.

TVMovie.de: Der Sextape-Skandal wurde fast schon zum Popkultur-Phänomen. Es war so etwas Neues und für viele Unvorstellbares, dass anscheinend niemand mehr den Schalter gefunden hat, um sich klarzumachen, was eigentlich die "richtige" Reaktion darauf wäre. Wenn man sieht, welche Dynamik das in der Serie aufnimmt, und das im Grunde jeder und jede damals ein Teil davon war, dann ist das schon beängstigend.

TS: Wahnsinn, oder? Es erinnert uns daran, dass wir Teil eines Kollektivs sind. Alle waren daran mitschuldig!

TVMovie.de: Und es bricht einem auch das Herz, wenn man es so explizit vor sich sieht…

TS: Total. Und es macht auch demütig. Man fragt sich: "Was passiert aktuell?" Vielleicht sind wir in 15 oder 30 Jahren ja auch mitschuldig. Vielleicht wir uns zu einem späteren Zeitpunkt bewusst, dass wir auch bei einem kollektiven Verbrechen mitgewirkt haben. Das ist schockierend.

TVMovie.de: Kannst du nachvollziehen, dass es jetzt im Vorfeld des Serien-Starts durchaus Diskussionen und Vorbehalte gab, weil "Pam & Tommy" ja eben ein sehr intimes Thema behandelt ohne die Einbeziehung von Pamela Anderson und Tommy Lee?

TS: Natürlich, das ist nachvollziehbar. Ich denke aber, dass die Diskussionen sich legen werden, wenn die Menschen die Serie auch anschauen. Denn es ist so viel Liebe und Zuspruch für Pam da. Und es fühlt sich wie späte Gerechtigkeit an. Meine Hoffnung ist, dass die Serie alte Wunden heilen wird.

Auch spannend:

• Disney+: Neue Serien und Filme im Februar 2022 | Übersicht
• Netflix: Die 25 besten aktuellen Netflix-Serien | Mit Empfehlungen!
• Die besten Amazon Prime-Schnäppchen aktuell*

"Pam & Tommy" ist ab dem 02. Februar 2022 bei Disney+ zu sehen. Zunächst erscheinen die ersten drei Folgen, danach wöchentlich eine neue Folge. Den Trailer zur Serie seht ihr hier:

*Affiliate Link